Kein Geld für Kundus-Opfer

BUNDESWEHR Bei der Bombardierung von zwei Tanklastern in Afghanistan starben Dutzende Zivilisten. Deutschland muss nicht für die Folgen aufkommen

Man dürfe sich nicht von Gefühlen leiten lassen, so der Vorsitzende Richter

VON CHRISTIAN RATH

Die Bundesrepublik muss den Angehörigen des Bombardements von Kundus keinen Schadenersatz zahlen. Das entschied am Mittwoch das Landgericht Bonn. Der damalige Bundeswehroberst Georg Klein habe seine Pflichten nicht verletzt, als er den tödlichen Befehl gab.

Im September 2009 hatten die afghanischen Taliban bei Kundus zwei Tanklaster entführt, die dann in einer Furt steckenblieben. Oberst Klein ordnete den Abwurf von Bomben an, Dutzende umstehender Menschen starben, wohl auch viele Dorfbewohner, die auf Einladung der Taliban Benzin abzapfen wollten. In einem Musterprozess forderten zwei Afghanen, die bei dem Luftschlag Angehörige verloren hatten, von Deutschland Schadenersatz.

Zunächst war der Prozess für die Kläger gut gelaufen. Das Gericht erkannte an, dass eine Amtshaftung des deutschen Staates auch bei militärischen Konflikten möglich ist. Die Bundesregierung hatte das bestritten. Bei der Amtshaftung hätte Deutschland aber nur dann Schadenersatz zahlen müssen, wenn Oberst Klein seine Pflichten zum Schutz von Zivilisten im Krieg verletzt hätte. Dabei stellte das Landgericht fest, dass die Tanklaster ein zulässiges militärisches Ziel darstellten, obwohl sie in der Furt feststeckten. Der Treibstoff sei für die Taliban logistisch nützlich und auch für einen Anschlag geeignet gewesen.

Oberst Klein habe auch ausreichend geprüft, ob sich Zivilisten vor Ort befanden. Dabei habe er sich vor allem auf einen afghanischen Informanten verlassen, der versicherte, dass ausschließlich „Aufständische“ um die Tanklaster herumstünden. Auch auf siebenmaliges Nachfragen habe der Spitzel auf dieser Falschinformation beharrt.

Als zweite Informationsquelle standen Oberst Klein noch die Videobilder zur Verfügung, die die herbeigerufenen amerikanischen Jagdbomber aus rund 360 Meter Höhe lieferten. Doch darauf sei nicht zu erkennen gewesen, so die Richter, ob die Personen bei den Lastern bewaffnet oder unbewaffnet waren, ob es sich um Erwachsene oder Kinder handelte. Bei der öffentlichen Vorführung der Videos Ende Oktober sahen Richter, Verfahrensbeteiligte und Zuschauer nur kleine schwarze Punkte, die sich hin und her bewegten. Sachverständige versuchten damals die Bewegung der Punkte zu interpretieren, ob es sich um militärische Formationen oder das bunte Treiben von Zivilisten handelte. Da viele Taliban jedoch keine militärische Ausbildung haben, hielt das Gericht auch solche Interpretationen für nutzlos.

Der Vorsitzende Richter Heinz Sonnenberger räumte ein, dem Gericht sei die Entscheidung nicht leicht gefallen. Aber man dürfe sich nicht von Gefühlen leiten lassen, nur von der Rechtslage. Danach sei die Klage abzulehnen gewesen.

Der Anwalt der Kläger kündigte an, dass er in die Berufung gehen werde. Bisher hat die Bundeswehr an die Familien der Opfer freiwillig je 3.800 Euro bezahlt. Diese halten das Zehnfache für angemessen.