Die Cockneyboys bitten zur Kasse

„Bank Job“ von Roger Donaldson erzählt von einem geheimnisumwitterten Bankeinbruch

Die besten Verbrechen sind nicht jene, die groß in den Schlagzeilen landen und mit den Jahren zu Legenden werden, sondern solche, um die aus dem einfachen Grund viel weniger Aufhebens gemacht wird, weil nie herauskommt, wer die Täter waren. Der große Postraub in den 60er Jahren gilt immer noch als das Meisterstück britischer Gaunerkunst, aber Biggs & Co landeten dann doch alle vor Londoner Gerichten.

Im September 1971 gab es dagegen ausgerechnet in der Londoner Baker Street, in der Arthur Conan Doyle seinen Sherlock Holmes wohnen ließ, einen ähnlich spektakulären Einbruch in die Filiale der Lloyds Bank. Die Räuber gruben ein Tunnel in die tresorgesicherte Kammer mit Schließfächern, und die Gespräche auf ihren walkie talkies wurde zufällig von einem Funkamateur abgehört, sodass die Polizei schon während des Einbruchs alarmiert war. Dennoch entkamen die Täter mit der Beute und vier Tage nach dem Einbruch verschwand der Fall völlig aus den Zeitungen.

Es gab viele Gerüchte über den Grund dieser Nachrichtensperre, denn Schließfächer sind ja wie Wundertüten, in denen die brisantesten Objekte auftauchen können.

Aus dieser Mischung von Fakt und Fama hat der australische Regisseur Roger Donaldson einen Film in der besten britischen Tradition des sogenannten „heist movies“ gedreht, bei dem mit großer Detailverliebtheit ein extrem ausgeklügeltes Verbrechen zelebriert wird. Nun sitzt nicht jeder Zuschauer gespannt auf der Kinosesselkante, wenn wiedereinmal eine neue Methode vorgestellt wird, mit der man ein Alarmsystem überlisten oder eine Betonwand durchstoßen kann.

Aber keine Angst: Auch wenn er im Zentrum des Filmes steht, ist der „Bank Job“ selber hier nicht die Hauptattraktion. Um ihn herum haben die Drehbuchautoren eine labyrinthische Verschwörungsgeschichte gesponnen, die für immer neue Entwicklungen und überraschenden Wendungen sorgt. Ein besonderer Reiz liegt hierbei darin, dass reale Prominenten jener Zeit in für sie verfänglichen Situationen gebracht werden. So beginnt der ganze Schlammassel mit einer feuchtfröhlichen Party in der Karibik, bei der Filmaufnahmen von Prinzessin Margaret entstanden, die das britische Könighaus schon 20 Jahre vor Diana in eine Krise gestürzt hätten, wenn sie an die Öffentlichkeit gekommen wären. In fast allen britischen Kritiken des Films wird übrigens die Nennung ihres Namens tunlichst vermieden. Ein Black Power Aktivist mit dem Namen Michael X (den es auch tatsächlich gab) erpresst nun mit diesen Fotos das gesamte United Kingdom, und der Geheimdienst MI5 stiftet ein paar Kleinkriminelle dazu an, in jene Bank einzubrechen, in der Michael X ein Schließfach mit den erotischen Fotos der Prinzessin hat. Die Affäre entwickelt sich zu einem Gewirr von hochkomplizierten Intrigen, bei dem seltsamerweise die Räuber noch die anständigsten Charaktere abgeben.

Und diese Bande von hartarbeitenden Cockneyboys wird von dem britischen Actionhelden der Stunde Jason Statham angeführt, der seine Karriere bei dem Tarantino-Epigonen Guy Ritchie begann, aber nicht mit diesem abstürzte, sondern in den „Transporter“-Filmen bewies, dass er ein charismatischer Hauptdarsteller sein kann. Auch die vielen Nebenrollen sind jeweils ideal besetzt, und deshalb bleiben alle Figuren nach ihren ersten Auftritten so präsent, dass man trotz der vielen Erzählstränge nie die Übersicht verliert. Ausstattung und Kameraarbeit sind so stimmig, dass der Film aussieht, als hätte er auch in den 70er Jahren gedreht werden können. Stellen Sie sich nur Michael Caine in der Hauptrolle vor.

Wilfried Hippen