„Trendwechsel geht erst los“

VORTRAG Ein Verkehrsexperte beleuchtet Perspektiven zu „Mobilität und Gesellschaft“

■ 60, ist promovierter Sozialwissenschaftler und Leiter des Bereichs Verkehrspolitik beim BUND-Bundesverband.

taz: Herr Reh, das Rahmenthema des Erwachsenen-Weiterbildungsangebots an der Uni Bremen lautet „Das Ende der Bewegungsfreiheit – wie mobil sind wir in Zukunft?“. Die Menschen werden doch immer mobiler, mittlerweile kann sich fast jeder eine Flugreise leisten ...

Werner Reh: Ich glaube, da geht es erst einmal um die Frage, was Mobilität überhaupt ist. Das wird zu 98 Prozent falsch verstanden. Man muss zurück zu den Ursprüngen und fragen: Wie kann ich auf intelligente Weise meine alltäglichen Wege zurücklegen, wie kann ich wegkommen von weiten Entfernungen und schweren Vehikeln? Da muss das Umfeld attraktiv werden.

Aber das Umfeld existiert doch, zum Beispiel in den Städten ...

Aber auch nur da: Städte machen die beste Politik in Sachen Mobilität: Radwege, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, Car-Sharing – sozusagen als Ersatzhandlung für das europäische und bundesdeutsche Politikversagen. Dort wird vorwiegend Klientelpolitik betrieben. Der Bund plant Infrastrukturen, für die kein Geld da ist, unzählige Ortsumgehungen, und tut damit alles, um eine integrierte Verkehrsplanung in den Städten zu blockieren.

Und die Verantwortung des Einzelnen?

Das Umfeld kann ja nur so gestaltet werden, wie die Menschen es möchten, die Bürger wollen gut beteiligt werden. In der Mobilität findet derzeit ein Wandel statt hin zum Fahrrad – auch zum Teilen statt zum Besitzen. Das geht bis zum Wohnungstausch anstelle eines Hotels. Radreisen in Deutschland sind angesagt. Nicht nur durch den kurzen Weg, sondern auch durch den Wegfall von Air-Condition oder Mobilität vor Ort werden immense Mengen CO2 eingespart – etwa sieben Tonnen im Vergleich zur Flugreise.

Und wie ist die Infrastruktur für solche Urlaube?

Der Trendwechsel geht jetzt erst richtig los, da ist einiges noch nicht ausgereift. Ich war gerade auf der Pfälzer Weinstraße: Da fehlen dringend vernünftige Radwege-Beschilderungen. Und dann muss es auch noch weiter gehen bis hin zu der Frage: Wie groß ist der Anteil regionaler Produkte? In Schleswig-Holstein liegt der bei vier Prozent, das ist viel zu wenig. Aber der kulturelle Wandel ist ganz klar da.  Interview: SCHN

19 Uhr, Handwerkskammer