BND lieferte der NSA doch mehr

ÜBERWACHUNG Daten aus der strategischen Fernmeldekontrolle gingen jahrelang auch an den US-Geheimdienst NSA. Geheimdienstkontrolleur Huber nennt das „rechtswidrig“

Die strenge Geheimhaltung ist nachvollziehbar, denn die Aktion war illegal

VON CHRISTIAN RATH

FREIBURG taz | Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat bis 2008 vier Jahre lang dem US-Geheimdienst NSA gewaltige Datenmengen geliefert, die der BND zuvor am Internetknoten Frankfurt kopiert hatte. Weil ein Filter nicht richtig funktionierte, lieferte der BND auch Telefonate und E-Mails von Deutschen an die NSA. Unabhängig von diesem Filterproblem hält Bertold Huber, Mitglied der G-10-Kommission zur Überwachung der Nachrichtendienste, die ganze Aktion aber auch für „rechtswidrig“.

Wie der Rechercheverbund von SZ, WDR und NDR enthüllte, wollte die NSA eigentlich selbst den Frankfurter Internetknoten (de-cix) überwachen. Das ging der Bundesregierung zu weit. Sie erlaubte jedoch, dass der BND seine dort gewonnenen „Rohdaten“ der NSA weiterleite. Das Programm wurde „Eikonal“ genannt. Im Gegenzug erhielt der BND von den Amerikanern Software, die die Auswertung solcher Datenströme erleichtert.

Daten von Deutschen sollten vor der Übermittlung ausgefiltert werden, was aber nur mangelhaft gelang. Anfangs habe Programm nur 95 Prozent der deutschen Daten aussortiert. Bis zum Schluss sei es nicht gelungen, fehlerfrei zwischen deutscher und ausländischer Kommunikation zu unterscheiden. Nicht zuletzt deshalb wurde Eikonal 2008 von deutscher Seite beendet. Über den Datenverbund hatten SZ und Co Ende Juni bereits berichtet. Damals waren aber nur die Umrisse der Aktion bekannt. Neu ist jetzt insbesondere, dass es nie ausreichend funktionierende Filter gab.

Der BND wollte auf taz-Anfrage am Wochenende keine Stellung nehmen, „auch aus Respekt vor der parlamentarischen Aufarbeitung“ der Affäre im NSA-Untersuchungsausschuss. Bisher war der Respekt vor den Parlamentsgremien weniger ausgeprägt. Der BND hatte weder das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) noch die überwiegend mit Experten besetzte G-10-Kommission über Eikonal unterrichtet. Nur die Bundesregierung wusste Bescheid und billigte 2004, so die SZ, dass die Kontrollgremien nichts erfuhren.

Die strenge Geheimhaltung ist nachvollziehbar, denn die Aktion war offensichtlich illegal.

Der BND bekommt die Daten vom Frankfurter Internetknoten ausschließlich für die strategische Fernmeldekontrolle, das heißt die Überwachung des internationalen Telefon- und E-Mail-Verkehrs von und nach Deutschland. Mit Hilfe von Tausenden Suchbegriffen – meist sind es Telefonnummern und E-Mail-Adressen – werden verdächtige Gespräche erkannt und näher geprüft. Gesucht werden darf dabei nach Hinweisen auf Terrorismus, Rüstungsexporte und Schleusung von Ausländern. Die gesetzliche Grundlage besteht schon Jahrzehnte und bezog sich ursprünglich nur auf den Schutz vor Angriffskriegen.

Diese strategische Überwachung muss von der G-10-Kommission genehmigt werden, ebenso wie die Auswahl der Suchbegriffe. Laut G-10-Gesetz darf der BND 20 Prozent des internationalen Verkehrs anlasslos überwachen, in der Praxis reichen die Kapazitäten nur für rund 5 Prozent der Kabel. Die so erlangten Rohdaten hat der BND nun offensichtlich jahrelang exzessiv an die NSA weitergeleitet.

Bertold Huber ist seit 1997 Mitglied der G-10-Kommission und hält die Weitergabe der Daten für rechtswidrig – unabhängig von der mangelhaften Filterung. „Das Fernmeldegeheimnis, an das deutsche Behörden gebunden sind, schützt nicht nur deutsche Kommunikations-Teilnehmer, sondern jedermann.“ Ohne eindeutige gesetzliche Regelung im G-10-Gesetz sei die Weitergabe der in Frankfurt abgefangenen Daten also „rechtswidrig“ gewesen.

Erstaunlicherweise wurde 2009 dann eine Regel zur „Übermittlung an ausländische öffentliche Stellen“ ins G-10-Gesetz eingefügt (Paragraf 7a). Diese hätte aber weder rückwirkend gegolten noch hätte sie das Programm Eikonal gerechtfertigt. „Auch heute wäre der Transfer des ganzen Rohdatenstroms nicht zulässig“, betont Huber.