Löschen oder lassen?

GOOGLE STREET VIEW Nicht nur das Bundeskabinett ist ratlos: Gehören Hausfassaden zur Privatsphäre? Macht Google mit unseren Daten gute Geschäfte? Oder ist der neue Dienst einfach eine prima Sache, von der wir alle profitieren?

BERLIN taz | Der Internetdienst Google Street View kann noch in diesem Jahr ohne eine nähere gesetzliche Regelung ins Netz gehen. Das Bundeskabinett befasste sich zwar gestern mit dem Thema, allerdings fasste die Runde keine Beschlüsse.

Für den 20. September ist zunächst ein Spitzengespräch mit Experten geplant. Danach will die Bundesregierung einen Maßnahmenkatalog zur Regelung von Google Street View und ähnlichen Diensten vorlegen. Die Forderung der Bundesländer nach strengeren Regeln lehnte das Kabinett ab. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) strebt eine breitere Regelung für alle Geodienste an. Dabei soll im Mittelpunkt stehen, ob und wie persönliche Daten bei Aufnahmen im Internet besser geschützt werden. Ob es am Ende zu einer gesetzlichen Regelung kommt, ist aber völlig offen.

Google hat angekündigt, schon bis zum Ende des Jahres die Aufnahmen von Straßen und Häusern aus zunächst 20 deutschen Städten ins Netz zu stellen. Die Firma will alle Menschen und Autokennzeichen auf ihren Bildern unkenntlich machen.

Wer die Veröffentlichung seines Hauses, der Mietwohnung oder seines Autos ablehnt, kann dagegen bei Google Widerspruch einlegen. Die entsprechende Frist ist auf vier Wochen festgesetzt. Google verspricht, entsprechende Daten zu löschen. Allerdings besteht kein gesetzlicher Anspruch darauf. Sollte Google die Bilder nicht zum Verschwinden bringen, haben Verbraucher kaum eine Möglichkeit, ihren Willen durchzusetzen.

Der Bundesrat hatte eine gesetzliche Pflicht gefordert, nach der Menschen und Autokennzeichen unkenntlich gemacht werden müssen.

Die Grünen warfen der Regierung gestern Unfähigkeit vor. „Die Bundesregierung hat die Entwicklung von Geodatendiensten wie Google Street View schlicht und ergreifend verpennt“, kritisierte Fraktionschefin Renate Künast. „Seit drei Jahren fahren die Fahrzeuge von Google durch die Straßen dieses Landes, und die Bundesregierung hat nichts anderes getan, als unverbindliche Gespräche zu führen, bei denen ein freiwilliges, kurzfristiges Widerspruchsrecht herausgekommen ist.“

Bei dem Straßenfotodienst Street View gehe es nicht nur um die Ansicht von Hausfassaden, sagte Künast. Durch Verknüpfung mit anderen Datensammlungen könne per Mausklick sichtbar werden, wer wo wohnt. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) sagte, die Frage sei, ob die Häuserfassade zur Privatsphäre gehöre. Eine Antwort hatte sie nicht.

Schwerpunkt SEITE 3

Pro & Contra SEITE 14