INES POHL ZUM KIRCHENTAG
: Das Gemeinsame finden

Neugierig zu bleiben ist eine der großen Herausforderungen des Älterwerdens. Irgendwann will man wissen, wo man hingehört. Nicht nur im Privaten, auch im Ideologischen. Das Wertesystem ist gebaut, die kindliche Naivität, gänzlich offen und ohne Argwohn in die Welt zu blicken, hat uns das Leben abgewöhnt. Zu viele Verletzungen und Enttäuschungen galt es im Laufe der Jahre zu verkraften. Man weiß ja schon, was eine(n) erwartet. Ist das wirklich so? Und was bedeutet es, sich nur noch in dem Gesinnungsmilieu zu bewegen, das die eigene Haltung, die eigenen Überzeugungen teilt? Was bedeutet das für die intellektuelle, aber auch politische Weiterentwicklung?

„Damit wir klug werden“ heißt das Motto des Evangelischen Kirchentags, der heute in Stuttgart beginnt und den wir mit täglichen Sonderseiten begleiten. Vor Ort sind altgediente und junge tazlerInnen – in diesem Jahr zum ersten Mal auch elf junge ReporterInnen, die einen taz Panter Workshop zum kritischen Journalismus absolviert haben. Und alle haben den einen Auftrag: hinzuschauen, offen und neugierig, mit der Lust, sich überraschen zu lassen von den schier unzählbaren Veranstaltungen.

Gerade für die undogmatische Linke gibt es viele gute Gründe, die Kirche und ihren Machtapparat mindestens zu ignorieren, vielleicht sogar aktiv zu bekämpfen. Es ist ganz bestimmt ein publizistischer Auftrag der taz, das immer wieder zu tun. Aufzudecken, wie viel Böses im Namen Gottes passiert, auch in den christlichen Kirchen.

Die taz gibt es aber auch, weil sie im Kampf für eine gute Sache Bündnisse schmiedet. Im Kontext des Kirchentags mit Gläubigen, die sich für eine gerechtere, eine nachhaltigere, ja für eine bessere Welt einsetzen. Danach suchen wir in den kommenden Tagen, mit offenem Herzen und wachem Verstand.

Gemeinsam mit unseren jungen KollegInnen werden wir Ihnen berichten, was wir von den 100.000 erwarteten BesucherInnen, meist gläubigen Menschen, lernen können. Was wir so nicht erwartet hätten, wo Vorurteile bestätigt werden und vor allem, wo wir Verbündete finden im Kampf für eine solidarische, gerechte Welt. Begleiten Sie unsere Berichterstattung, unbedingt kritisch, auch gerne ungläubig. Besonders freuen wir uns, wenn Sie das neugierig tun und offen dafür sind, dass man gerade auf Kirchentagen immer wieder auch positiv überrascht werden kann.