Auf allen Kanälen

MEDIEN Springer, „Spiegel“, Facebook – alle feiern Joachim Gauck als neuen Hoffnungsträger

BERLIN taz | Er ist „der bessere Präsident“. Das lässt der Spiegel auf seiner heutigen Titelseite unstrittig in fetten schwarzen Buchstaben verlauten. Und diesem „besseren Präsidenten“ fliegen laut Welt am Sonntag „liberale Herzen zu“. Das Ganze gipfelt in den überschwänglichen Worten, die Bild am Sonntag wählt: „Yes, we Gauck“. Im Springer-Verlag ist man davon überzeugt, dass es „nach Ruck in Deutschland“ rieche. Es bahne sich ein „politisches Sommermärchen“ an.

Überall regt sich eine mediale Euphorie über die Oppositions-Nominierung des ehemaligen Chefs der Stasiunterlagenbehörde für das Amt des Bundespräsidenten. So bestätigt sich ein Trend, der auch auf der realpolitischen Bühne mehr und mehr Gestalt annimmt. Die Koalition zeigt ein zustimmendes Interesse an Gauck, das den eigenen Kandidaten Christian Wulff eher in die Kategorie B-Prominenz einzuordnen scheint.

Der Zuspruch regiert auch die unterschiedlichen politischen Lager im Internet: Passend dazu wird bei Facebook bereits dafür geworben, das eigene Profilbild durch eines von Gauck zu ersetzen, selbstverständlich nach der Vorlage des Pop-Art-Posters, das der Renner im Wahlkampf von Barack Obama war. Es scheinen beinahe stündlich neue Gauck-Facebook-Gruppen aufzutauchen mit Namen wie „FDP und Liberale für Joachim Gauck als Bundespräsident“ oder „Christdemokraten für Gauck“. Die stärkste Fraktion läuft bis jetzt allerdings unter dem neutralen Titel „Joachim Gauck als Bundespräsident“ und hat weit über 5.000 Mitglieder.

Auch das ZDF scheint den Kandidaten Gauck für sich entdeckt zu haben. Auf der eigenen Facebook-Präsenz werde eifrig diskutiert, heißt es. Was durchaus Methode zu haben scheint bei dem Sender aus Mainz: Nach dem Rücktritt von Horst Köhler wurde umfassend im „heute-journal“ über die Macht digitaler Kanäle berichtet. Claus Kleber sagte: „Das ist eine Geschichte über die Macht des Netzes. Sie wird wohl einmal tatsächlich in den Geschichtsbüchern stehen.“ Über Gauck jedenfalls sagt man, als dieser von „fröhlicher Gelassenheit“ im Hinblick auf die Wahl Ende Juni spricht, solche Formulierungen würden „der Kandidatur eine Ausstrahlung verleihen, der man sich schwer entziehen kann“. JAN SCHEPER