Berliner Schrottbahn

Bahn II Die Berliner S-Bahn-Krise ist zum Symbol für das Desaster geworden. Das sieht auch der Chef so

BERLIN taz | Mehrfach hatte Bahnchef Rüdiger Grube einen Ausschussbesuch im Berliner Abgeordnetenhaus abgesagt, oft kurzfristig. Am Montag aber kam er, überpünktlich und mit gleich drei Führungskräften im Gefolge. Das Chaos bei der DB-Tochter Berliner S-Bahn ist in den vergangenen Wochen zum Musterbeispiel für das Winterdesaster der Bahn geworden. Zeitweise fuhr lediglich einer von drei Zügen. Anfang Januar wurden Vororte ganz vom Netz gekappt. Der Bahnchef konnte sich nicht länger wegducken.

Hinter dem Kollaps im öffentlichen Nahverkehr stecken technische Probleme – teils konstruktionsbedingt, teils auf den jahrelangen Sparkurs der Bahn zurückzuführen. In den Werkstätten waren massiv Personal und Kapazitäten abgebaut worden. Als vor eineinhalb Jahren Achsen und Räder brachen und nur mit Glück bei Unfällen niemand ernsthaft verletzt wurde, kamen die Missstände zu Tage. Derartige Vertuschungen wie beim früheren S-Bahn-Management habe er „in seiner ganzen beruflichen Laufbahn noch nicht erlebt“, bekannte Grube nun. „Da gibt es nichts zu beschönigen.“

Achsen waren mit falschem Werkstoff behandelt worden, vom Eisenbahnamt angeordnete Überprüfungen wurden ignoriert. Dies hatte dazu geführt, dass eine Baureihe im vergangenen Jahr völlig stillgelegt werden musste. Grube schätzt, dass die Berliner Krise den Mutterkonzern 700 Millionen Euro bis einschließlich 2014 kostet. Unerwähnt ließ Grube, dass die S-Bahn nur deswegen die Kosten drückte, um ihrem Mutterkonzern stetig höhere Gewinne abgeben zu können. Schließlich plante die Bahn bis zur Finanzkrise, an die Börse zu gehen.

Die derzeitigen Millionenzahlungen in den maroden Fuhrpark dürften maßgeblich hinter dem Schwenk vom Schröpfen der S-Bahn hin zu Investitionen stehen: Der Sparkurs hat sich nicht ausgezahlt.

„Ein langfristig stabiler Betrieb ist mit diesen Fahrzeugen nicht zu leisten“, bekräftigte Grube nun Ankündigungen des Bahn-Eigentümers Bund, wonach neue Züge im Wert von bis zu zwei Milliarden Euro bestellt werden sollen. Die neuen Wagen wären in etwa fünf Jahren einsatzbereit. Bis dahin müssen die Bahn und ihre Kunden mit dem bestehenden Material auskommen. Kristina Pezzei