Brummbrumm reloaded

MOBILITÄT Am Montag erklären Experten, wie Elektroautos in Deutschland endlich rollen sollen. Mit Geld vom Staat

  Der Termin: Die Nationale Plattform Elektromobilität stellt am 16. Mai ihren Bericht vor. Darin fordert sie, in den nächsten drei Jahren 4 Milliarden Euro in die Forschung für E-Automobile fließen zu lassen, jeweils zur Hälfte von Staat und Industrie. Schwerpunkte sind Batterietechnik, Leichtbau oder Infrastruktur.

  Die Modelle: Deutsche Hersteller haben bisher kein E-Auto auf dem Markt. Daimler baut in diesem Jahr 365 E-Smarts, die 2012 kommen sollen. BMW arbeitet an siebzig weiteren E-Minis zum Testen. Hierzulande sind schon der Citroën C-Zero, der Peugeot iOn und der Mitsubishi i-Miev zu haben.

  Die Förderung: Im Ausland gibt es teilweise üppige Subventionen beim Kauf oder Betrieb, zum Beispiel 20.000 Euro in Dänemark. Das fordert die Nationale Plattform Elektromobilität auch in Deutschland – momentan werden 45 Euro Kfz-Steuer erlassen.

VON INGO ARZT

Der deutschen Autoindustrie geht es gerade formidabel. Sie feiert ihren 125. Geburtstag, Export und Absatz steigen zweistellig. Eine ganze Halle für Elektrofahrzeuge richtet die Internationale Automobilausstellung diesen Herbst ein. Angela Merkel hat schließlich vor einem Jahr die elektrische Zukunft der Branche zur Kanzlerinnensache gemacht. Und die Nationale Plattform Elektromobilität ins Leben gerufen, deren zweiter Bericht am Montag vorgestellt wird.

Vision vom Umweltauto

Es wird um höhere staatliche Zuschüsse für die Forschung gehen, um Kfz-Steuerbefreiung. Wahrscheinlich wird die Autoindustrie wieder fordern, der Staat müsse einen Teil der Kaufsumme von Elektrofahrzeugen übernehmen. Weil das andere Länder auch machen. Bisher lehnt die Regierung das aber ab. Bis zum Jahr 2020 will sie eine Million E-Autos auf Deutschlands Straßen haben. Sie sollen Ressourcen schonen, die Umwelt schützen, Arbeitsplätze schaffen, das heute utopische Ziel erreichen, Autos weitgehend klimaneutral zu machen. Doch so einfach wird die Sache nicht.

Denn da wäre zunächst der Klimaschutz. Elektroautos ohne regenerativen Strom ergeben schlichtweg keinen Sinn. Sonst entstehen die Klimagase eben nicht im Motor, sondern im Kraftwerk.

Berechnungen zur Klimabilanz hat das Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg angestellt. Die Wissenschaftler betrachteten die CO2-Bilanz der Elektroautos im Vergleich zu Benzinern. Wie viel entsteht durch die Produktion der Wagen, wie viel durch Förderung und Verbrennen von Öl und Benzin, wie viel durch Stromproduktion in Kohlekraftwerken oder beim Errichten einer Windkraftanlage?

Die Ergebnisse: Lädt man ein E-Auto mit Strom aus alten Kohlemeilern auf, bläst das fast doppelt so viel Klimagase in die Luft, wie ein Dieselmotor gleicher Leistung. Mit dem deutschen Strommix hält sich die Sache nahezu die Waage. Ob die neue Mobilität dem Klima hilft und der CO2-Ausstoß sinkt, hängt also vom Ausbau erneuerbarer Energien ab. In Deutschland könnte das funktionieren, sollen doch bis 2020 vierzig Prozent des Stroms regenerativ erzeugt werden. Um den Strom für eine Million Elektrofahrzeuge zu erzeugen, braucht man 500 moderne Windkraftanlagen. Und heute stehen hierzulande schon gut 22.000.

Anders sieht es zum Beispiel in China aus. Hier könnte es laut Internationaler Energieagentur in zwanzig Jahren immer noch beinahe den gleichen Anteil an Kohlestrom wie heute, aber sechsmal so viele Autos geben. Das wäre für den Klimaschutz verheerend, auch wenn auf Elektrofahrzeuge umgestellt wird.

Unsicher ist auch weiterhin die Rohstoffversorgung. „Mit dem Elektroauto ersetzen wir die Abhängigkeit von Öl mit der Abhängigkeit von Seltenen Erden“, sagt Willi Diez, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule Nürtingen-Geislingen. Unter Seltenen Erden versteht man 17 seltene Metalle, von denen einige für die Herstellung von E-Autos unbedingt notwendig sind. Sie werden fast komplett in China produziert. Erst im April warnte die Deutsche Rohstoffagentur: Nur Unternehmen, die sich bereits mit Seltenen Erden abgesichert haben, hätten im Bereich grüner Technologien auch eine Chance. Ihre Sicherung seien für die Rohstoffstrategien von EU und Bundesregierung sehr wichtig.

Zwei der Metalle etwa, Samarium und Dysprosium, werden für die Herstellung von Magneten gebraucht, die sowohl in Generatoren von Windkraftanlagen als auch in Elektromotoren benötigt werden. „Die ausreichende Verfügbarkeit dieser Rohstoffe und Materialien hat direkten Einfluss auf den Erfolg einer Elektrifizierung der Mobilität“, schreibt die Nationale Plattform Elektromobilität in ihrem letzten Bericht. Ein besonderer Schwerpunkt der Forschung liegt deshalb auf dem Recycling. Stoffe sollen effizient wiederverwertet werden können.

Hybrid oder Zelle?

Ob die neue Mobilität dem Klima hilft? Das hängt vom Ausbau erneuerbarer Energien ab. Um den Strom für eine Million Elektroautos zu erzeugen, braucht man 500 moderne Windkraftanlagen

Exakte langfristige Prognosen für Rohstoffe sind allerdings schwer. Es ist ja noch nicht einmal klar, welche Technologien sich überhaupt durchsetzen werden: Hybridfahrzeuge vielleicht? Sie verfügen für lange Strecken über einen Verbrennungsmotor, für kurze über einen Elektromotor und eine Batterie mit geringer Reichweite – und haben wenig Bedarf an seltenen Rohstoffen. Oder schafft die von Daimler favorisierte Brennstoffzellen-Technik doch noch den Durchbruch? Dann wird mit Wasserstoff Strom erzeugt und Batterien sind kaum nötig.

Entscheidend für die E-Autos wird auch der Preisunterschied zwischen Öl und Strom sein. Momentan kostet der Strom für hundert Kilometer mit einem Elektroauto gut 2 Euro, ein günstiger Diesel schluckt Sprit für 10 Euro. Willi Diez von der Hochschule Nürtingen-Geislingen geht nicht davon aus, dass der Preisvorteil für das Elektroauto zunimmt. Zwar sei mit höheren Ölpreisen zu rechnen, mit höheren Strompreisen aber genauso – wegen des schnellen Ausbaus regenerativer Energien. Explodiert der Ölpreis dagegen, lohnt sich ein E-Fahrzeug mit teurer Batterie schon eher.

Die Batteriekosten gelten sowieso als größte Hürde der Elektroautos. Der Industrieverband VDE glaubt, dass selbst Batterien in Großserienproduktion, die fünfzig Kilometer halten, mit 2.700 Euro zu Buche schlagen.

Trotz aller Hindernisse führt kein Weg am Elektroauto – betankt mit regenerativer Energie – vorbei. Nur so lässt sich klimaneutral fahren. Aber bis eine völlig neue Batterie-Technologie zur Verfügung steht, wird es laut der Neuen Plattform Elektromobilität noch lange dauern: bis 2025, schätzen die Experten.