Mal durch die Blume gesagt

BLÜHEN Die Floristik ist ein vernachlässigtes Handwerk. Eine Meisterschaft der Superlative soll das nun ändern

■ Der Termin: Am 17. und 18. August findet die 29. Deutsche Meisterschaft der Floristen statt. Bei dem Wettbewerb, auch Goldene Rose genannt, treten alle zwei Jahre die besten Floristen der Bundesländer gegeneinander an, diesmal in den Berliner Potsdamer-Platz-Arkaden.

■ Die Branche: 2010 waren laut Arbeitsagentur 32.140 Menschen im Floristikbereich angestellt, über 90 Prozent davon sind Frauen. Im Vergleich zum Jahr 1999 arbeiten 6.000 Personen weniger in der Branche. Auch die Zahl der Einzelhandelsbetriebe nimmt ab.

VON KAREN GRASS

Alles steht „Spitz auf Knopf“ bei Jürgen Herold. In Karohemd und Jeans eilt der Florist in seinem Atelier am Berliner Weichselplatz hin und her. Um ihn herum Bambusstäbe, gläserne Schalen, Metallstreben mit Papierschmuck. In einer Woche muss sein Material für die Deutsche Meisterschaft der Floristen komplett sein. Schließlich dient es nur einem Zweck: die Orchideen, Kiwi-Ranken, Hortensien und Rosen perfekt in Szene zu setzen. Noch fehlen jedoch die maßgefertigte Tischplatte für das Gesteck, die Plakate, die den Strauß rahmen sollen, und, das Allerwichtigste, die Blumen selbst. Doch die kommen erst ganz zum Schluss.

Der 29-Jährige nimmt zum ersten Mal an der Goldenen Rose teil, wie die Deutsche Meisterschaft der Floristen auch genannt wird. Am 17. und 18. August tritt er in den Potsdamer-Platz-Arkaden in Berlin gegen die zehn besten Floristen Deutschlands an. Immerhin, ein Heimspiel. „Mir schwirrt seit Wochen der Kopf“, sagt Herold. „Aber hinschmeißen, das kann ich nicht mehr, jetzt werf ich alles in die Waagschale.“

Das scheint momentan auch das Motto des Fachverbandes Deutscher Floristen (FDF) zu sein, der den Wettbewerb seit 1966 ausrichtet. Glaubt man dem Verband, geht es für die Floristen in Deutschland um mehr als nur die Kür eines neuen Titelträgers. Es geht um die Zukunft des Handwerks. Seit Jahren sinken die Zahlen der Auszubildenden in der Floristik. Die Goldene Rose 2012 soll die Flaute nun endgültig beenden. Dazu gehen die beiden Großgewichte der Branche, der Fachverband und der Blumenversand Fleurop AG, erstmals gemeinsam in die Offensive und richten zusammen aus. „Diese Deutsche Meisterschaft ist lebensnotwendig für uns, zusammen müssen wir den Fokus wieder auf das Handwerk lenken“, sagt Kurt Hornstein, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses beim Verband der Floristen und gleichzeitig Aufsichtsrat der Fleurop.

Florist Jürgen Herold lässt sich von dem Hype vorerst nicht erfassen und richtet den Blick lieber auf die Aufgabenstellungen. Das Tischgesteck „So isst die Welt“ soll eine persönliche Liebeserklärung der Teilnehmer an eine Großstadt ihrer Wahl sein. Für die Königsdisziplin der Floristik, das gebundene Werk, lautet der Arbeitstitel: „Der Herzschlag Berlins – ein faszinierend facettenreicher Strauß wird das Leben in Berlin floral widerspiegeln.“

„Damit konnte ich nicht so viel anfangen, klingt etwas blumig“, sagt Jürgen Herold. Er hat sich entschieden, den Puls der Stadt an seinem höchsten Ausschlag abzubilden: Ein bunter Mix aus exotischen Orchideen und Anthurien aber auch heimischen Rosen und Scabiosen soll das Partyleben Berlins verkörpern. „Wie eine Explosion“. Das Werk wird auf einem geleasten Stromkasten stehen, der mit speziell gefertigten Partyplakaten heimischer Clubs geschmückt wird. „Ich bin eher für deutliche Botschaften“, sagt Herold.

Der offizielle Trailer zur Deutschen Meisterschaft hat ebenfalls eine deutliche Message: Wer hier siegt, für den geht’s bergauf. Denn der Titel berechtigt nicht nur zur Teilnahme an der Europameisterschaft, er sorgt auch dafür, dass der Florist bekannt wird. Etwa durch Engagements beim Mittagsmagazin ARD-Buffet.

„Mit der Aufgabe konnte ich nicht so viel anfangen, das klingt etwas blumig“

JÜRGEN HEROLD, FLORIST, TEILNEHMER DER DEUTSCHEN MEISTERSCHAFT

„Natürlich gibt das einen riesigen Auftrieb“, sagt Thomas Gröhbühl, amtierender Deutscher Meister. In einer Branche, in der man als Angestellter nur wenig mehr verdient als Friseure, ist Gesehenwerden alles. Gröhbühl, der trotz des Meistertitels in seinem Betrieb im baden-württembergischen Bühl angestellt blieb, hat dafür seit Anfang des Jahres eine neue Plattform gefunden. In Kooperation mit der Fleurop AG haben er und drei weitere preisgekrönte Floristen die „Jungen Wilden“ gegründet. Mit Mitteln des Versand-Monopolisten motzte die Truppe zuletzt die Show des Designers Michael Michalsky bei der Berliner Fashionweek auf. Über dem Laufsteg thronte ein mehrere Meter großer Riesen-Totenkopf, über und über mit violetten, dunkelblauen und cremefarbenen Chrysanthemen besetzt. In Werbetrailern lassen sich die „Jungen Wilden“ mit Anzug, Fliege und Gartenschere auf Matratzen fallen. Der künftige Deutsche Meister wird die Marketing-Combo bald ergänzen, für die durchweg recht jungen Talente ist vor allem die Mitarbeit an den nächsten Fleurop-Kollektionen finanziell reizvoll. Gröhbühl betont jedoch: „Wir wollen mit den ‚Jungen Wilden‘ in erster Linie zeigen, wie viel das Wissen und die Technik unseres Traditionsberufs wert sind.“

Wie das Bild der „Jungen Wilden“ mit dem des Traditionshandwerks zusammengeht? Jürgen Herold zuckt die Schultern. Er schmirgelt die Bambusstäbe für das Tischgesteck, seine „Liebeserklärung“ an die Metropole Hongkong, und sagt: „Mode-Designer verkaufen sich auch, indem sie erstmal durch Kollektionen provozieren, die herausstechen – und sollten sie auch noch so grauenvoll aussehen.“ Ein ähnliches Eye-Catcher-Konzept habe wohl auch „Junge Wilde“. Auf die inhaltliche Arbeit hätte er jedenfalls Lust.

Eine kleine Revolution startet der freie Florist auf dem Wettbewerb schon einmal selbst: Die erste Aufgabe lautet, eine gestriegelte Parkanlage nach dem Vorbild des Landschaftsarchitekten Peter-Joseph Lenné zu simulieren. In Herolds Beet-Schnitt werden statt klassizistisch anmutender, exotischer Blumen jedoch Unkräuter wie Spitzwegerich, Gräser und Kamille strahlen. Denn das ist für ihn Berlin: Brachen-Charme, wie er bis kurz nach der Wende etwa an der Lennéstraße zu bewundern war.