Erstes Urteil gegen NSA-Überwachung

USA Bundesrichter attestiert Geheim-dienst „willkürliche Invasion“ in das Privatleben der Bürger, die „wahrscheinlich verfassungswidrig“ sei. Snowden fühlt sich bestätigt

Der Richter und der erfolgreiche Kläger gegen die NSA stehen politisch rechts

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Es ist ein Weihnachtsgeschenk für Edward Snowden: Ein US-Bundesrichter hat die massenhafte Schnüffelei der NSA als „wahrscheinlich verfassungswidrig“ bezeichnet. In seinem jetzt veröffentlichten Urteil nennt Richard Leon die Erfassung von „Metadaten“ eine „wahllose“ und „willkürliche Invasion“ in das Privatleben der US-BürgerInnen. Er sieht darin eine Verletzung des vierten Verfassungszusatzes, der die BürgerInnen vor Durchsuchungen und Beschlagnahmungen ohne richterliche Anordnung schützt. Und hält zusätzlich fest, dass die Regierung auch keinen Nachweis geliefert habe, dass ihre Schnüffelei eine einzige bevorstehende Attacke verhindert habe.

Das Urteil des Bundesrichters ist der erste juristische Erfolg für GegnerInnen der massiven Überwachung in den USA. Der Ex-NSA-Vertragsmitarbeiter Edward Snowden, der im Juni mit seinen Enthüllungen über die Arbeit des Auslandsgeheimdienstes begann, reagierte schon am Montagabend aus Russland. „Das Urteil ist das erste von vielen zu erwartenden Gerichtsentscheiden“, schrieb der 30-jährige Flüchtling. Und fügte hinzu, dass das Urteil seine Veröffentlichungen über die NSA rechtfertige.

Das Weiße Haus gab keinen Kommentar ab, sondern versteckte sich hinter dem Justizministerium, das wiederum exakt die Argumentationslinie der NSA wiederholt. Demnach wurde die Erfassung von Metadaten durch 35 Entscheidungen von Fisa-Gerichten autorisiert. Und sei: „legal“. Die mit der Überwachung der NSA betrauten Fisa-Gerichte (Foreign Intelligence Surveillance Courts) sind Gerichte, deren Sitzungen der Geheimhaltung unterliegen.

Das Urteil tritt vorerst nicht in Kraft. Richter Leon will so der Regierung Gelegenheit geben, in die erwartete Berufung zu gehen. Selbst wenn das Urteil in Kraft treten sollte, würde es nur die Kläger in dem konkreten Fall vor weiterer Beschnüffelung schützen. Doch dieser erste Richterspruch gegen die Schnüffelpraxis der NSA könnte in den USA eine Welle von Gerichtsentscheiden in Gang setzen. Nun steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich das oberste Gericht der USA mit der NSA befassen muss. Bislang lehnte es alle diesbezüglichen Versuche ab. Zuletzt wies es im vergangenen Monat die Befassung mit einer Petition des „Electronic Information Privacy Center“ zurück.

Seit Juni liegen zahlreichen Gerichten Klagen wegen Überwachung vor – unter anderem eine der Bürgerrechtsgruppe ACLU (American Civil Liberties Union).

Der Mann, der den Bundesrichter eingeschaltet hatte, der jetzt sein Urteil vorlegte, ist ein politisch weit rechts stehender Anwalt. Larry Klayman hat unter Präsident Ronald Reagan im Justizministerium gearbeitet und seither mehrfach versucht, selbst eine politische Karriere in der Republikanischen Partei zu machen. Die Klage „Klayman gegen Obama“ wegen der Meta-Daten-Schnüffelei liegt seit Juni vor. Zuvor hat Klayman als Anwalt verschiedene andere Klagen gegen die Obama-Regierung vertreten. Ein Klayman-Mandant aus Florida bestreitet, dass der Präsident ein gebürtiger US-Amerikaner ist. Andere Klayman-Mandanten sind Angehörige der Navy Seals, die an der Tötung von Osama bin Laden beteiligt waren. Sie klagen gegen die US-Regierung, weil diese sie mit der Enthüllung ihrer Identität in Gefahr gebracht habe.

Bundesrichter Leon, der sich jetzt gegen die Überwachungspraxis der NSA stellt, die unter Expräsident George W. Bush eingeführt wurde, ist selbst von Bush in sein Amt befördert worden. Eine der ersten positiven Reaktionen auf sein Urteil kam von dem demokratischen Senator Mark Udall aus Colorado. Udall, einer der wenigen NSA-KritikerInnen im Kongress, möchte, dass die Abgeordneten die NSA dazu zwingen, sich „mit Terroristen und Spionen“ statt mit „unschuldigen Amerikanern“ zu befassen.

Das Urteil kam am Tag, bevor US-Präsident Barack Obama am Dienstag die ChefInnen von großen IT-Konzernen wie Apple, Google, Twitter, Microsoft und Facebook im Weißen Haus zu einem länger angesetzten Termin empfing, bei dem es um die künftige Erfassung privater Daten gehen sollte. In einem Brief an Obama hatten einige IT-ManagerInnen in der vergangenen Woche „radikale Veränderungen“ als Folge der Snowden-Enthüllungen verlangt.