Sozialliberaler soll Sozialisten retten

FRANKREICH Der bisherige Innenminister Manuel Valls wird neuer Ministerpräsident von Hollandes Gnaden

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Frankreich bekommt an diesem Mittwoch eine neue Regierung. Im Regierungspalast Matignon ging am Vortag bereits die Amtsübergabe zwischen Jean-Marc Ayrault und seinem Parteikollegen Manuel Valls über die Bühne. Der bisherige Innenminister hat von Staatspräsident François Hollande den Auftrag erhalten, ein neues Ministerkabinett zu bilden. „Gestrafft, kohärent und zusammengeschweißt“ soll das Team von Valls sein.

Hollande benutzte in seiner Fernsehansprache am Montagabend dafür den Begriff einer „Kampfregierung“, der freilich in Frankreich so abgenutzt ist, dass er bereits als Klischee gelten muss. Aber die guten Absichten tönten ehrlich gemeint. Der Staatspräsident sagte, er habe die Botschaft der Wähler verstanden: „Zu wenig Änderungen und zu viel Langsamkeit. Zu wenig Beschäftigung, zu viel Arbeitslosigkeit. Zu wenig soziale Gerechtigkeit, zu viel Steuern. Zu wenig Effizienz der Regierungspolitik und in Folge Zweifel an der Fähigkeit des Landes, trotz seiner Stärken aus der Krise herauszukommen.“

Das hört sich schon fast ein wenig nach einem Schuldbekenntnis an. Doch in Wahrheit will Hollande den eingeschlagenen Kurs nicht ändern, sondern sogar das Tempo beschleunigen. Die Ernennung von Manuel Valls zum neuen Ministerpräsidenten gilt als eine Bestätigung von Hollandes Wende zu einer „sozialdemokratischen“ Realpolitik. Die Aufgabe der neuen Regierung, deren personelle Zusammensetzung für den Mittwoch erwartet wird, soll vor allem sein, den mehr als skeptischen Bürgern und Bürgerinnen die Sache besser zu erklären. War das Wahldebakel vom Sonntag also die Folge eines Missverständnisses?

Kommunizieren, das ist eine der Stärken des neuen Premierministers, der mit 51 Jahren noch als jung gelten kann. Als Innenminister war er – zusammen mit Außenminister Laurent Fabius – das populärste Regierungsmitglied. Valls steht mit seiner Bilanz als „Polizeiminister“ für Autorität und Ordnung. In Anspielung darauf meinte die Zeitung La Dépêche du Midi ironisch, die Berufung von Valls sei ein wenig wie ein „Notruf bei der Polizei“. Als Sozialliberaler des rechten Flügels bei den Sozialisten hat er in der eigenen Partei viele Gegner. Auch die Grünen zögern bei der Erneuerung der Koalition: Die ehemalige Parteichefin und bisherige Wohnungsministerin Cécile Duflot erklärte, mit Valls als Premier werde sie nicht in der Regierung bleiben.

In den Medien wird unterstrichen, dass Hollande mit der Regierungsumbildung drei Jahre vor dem Ende seines Mandats bereits seine letzte Karte ausspiele und dass Valls sein einziger „Joker“ sei, den er kein zweites Mal verwenden könne. Dass er diesen Trumpf jetzt einsetzt, zeige auch, dass Hollande letztlich keine andere Wahl gehabt habe.

Der gebürtige Katalane Valls gilt als sehr ehrgeizig. Er hatte sich im Herbst 2011 bei den internen Wahlen um die sozialistische Präsidentschaftskandidatur erfolglos beworben und macht kein Geheimnis daraus, dass er 2017 wieder antreten will. Für ihn ist das gewöhnlich undankbare Amt des Regierungschefs ein hohes Risiko. Falls er scheitert, kann er auch seine Ambitionen für die Präsidentschaft – als Rivale von Hollande – begraben.