Deutschland macht keine Homo-Prüfung

ASYLVERFAHREN In der Bundesrepublik wurden schwule und lesbische AsylbewerberInnen lange Zeit sexualpsychologisch begutachtet

FREIBURG taz | Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gibt derzeit keine „sexualpsychologischen Gutachten zum Vorliegen einer besonderen sexuellen Ausrichtung“ in Auftrag. Diese seien zum einen wissenschaftlich umstritten und könnten zum anderen als diskriminierend empfunden werden, erklärte ein BAMF-Sprecher auf Anfrage der taz.

Pro Asyl weist aber darauf hin, dass solche Gutachten bis zum Jahr 2012 durchaus noch üblich waren. Damals wurde geprüft, ob ein Asylbewerber, der sich auf seine sexuelle Orientierung beruft, wirklich „unentrinnbar“ homosexuell ist oder sich auch anders verhalten könnte.

Lange Zeit wurde in Deutschland gefordert, dass Homosexuelle in ihrem Heimatland „diskret“ leben sollten, um Verfolgung und Misshandlungen zu vermeiden. Dass eine solche Anforderung nicht zulässig ist, hat der EuGH im November 2013 festgestellt. Die sexuelle Ausrichtung sei für einen Menschen so identitätsstiftend, dass nicht verlangt werden kann, diese in der Öffentlichkeit zu verbergen. Das Bundesamt hatte seine Praxis in Erwartung des Urteils schon einige Monate zuvor aufgegeben.

An der aktuellen EuGH-Entscheidung ist für Deutschland vor allem ein Punkt von praktischer Bedeutung: Es darf nicht mehr als Indiz für mangelnde Glaubwürdigkeit gelten, wenn ein homosexueller Asylbewerber sich gegenüber den Behörden nicht sofort outet.

Der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands hatte das Problem schon oft angesprochen. „Vielen lesbischen und schwulen Flüchtlingen ist es wenige Tage nach ihrer Ankunft noch nicht möglich, offen über ihre sexuelle Identität und entsprechende Verfolgung zu berichten“, heißt es in einem Papier. Außerdem seien Asylbewerber in den Flüchtlingsheimen oft denselben „Ausgrenzungsmechanismen“ ausgesetzt wie in ihrer Heimat, was ein Outing ebenfalls erschwere.

Das Bundesamt stellt bei der Glaubwürdigkeitsprüfung nach eigener Darstellung vor allem darauf ab, dass das Asylbegehren „in sich stimmig“ ist. „Die wahrheitsgemäße Schilderung eines realen Vorganges ist dabei erfahrungsgemäß gekennzeichnet durch Konkretheit, Anschaulichkeit und Detailreichtum“, erklärte ein Sprecher.

Wie viele Asylbewerber sich in Deutschland pro Jahr auf drohende Verfolgung wegen Homosexualität berufen, wird vom Bundesamt nicht erfasst. Die Zahl dürfte aber eher klein sein.

CHRISTIAN RATH