SS-Siggis erster Arbeitstag

EXTREM RECHTS Ein Nationalsozialist zieht ins Dortmunder Rathaus und kooperiert mit dem NPD-Vertreter

DORTMUND taz | Das Rathaus hat sich gerüstet. Massive Polizeipräsenz an allen Seiten. „Hoffentlich geht alles gut“, sagt ein Mitarbeiter der Stadt. Drinnen konstituiert sich am Mittwochnachmittag der im Mai neu gewählte Dortmunder Stadtrat. Erstmals dabei: Siegfried Borchardt, genannt „SS-Siggi“.

Borchardt ist überzeugter Nationalsozialist. Den Spitznamen mag der 60-Jährige nicht. „SA-Siggi“ würde ihm besser gefallen. Seine Karriere begann mit der Gründung der militanten Hooligantruppe „Borussenfront“ Anfang der 80er Jahre. Er war Kameradschaftsführer der Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA), Kreisleiter im Komitee Adolf Hitler (KAH) und stellvertretender Vorsitzender der 1995 verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP).

Bei der Kommunalwahl war Borchardt Spitzenkandidat für „Die Rechte“. Die neonazistische Partei wird von Experten als ein Auffangbecken gehandelt, falls die NPD verboten würde (siehe oben). In Dortmund reichten ihr 2.101 WählerInnenstimmen für ein Mandat im Stadtrat.

Vor dem Rathaus demonstrieren einige hundert Leute. Fast alle haben Plakate in der Hand: „Dortmund hat keinen Platz für Rechtsextremismus“ steht darauf. Gleichzeitig halten sie es hoch. Ein imposantes Bild, auch weil im Hintergrund an den Räumen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ein riesiges Plakat mit diesem Motiv hängt.

Borchardt gelangt über einen Seiteneingang ins Rathaus. Er nimmt Platz in der letzten Reihe ziemlich in der Mitte. Er blättert in den Papieren, die vor ihm liegen. Die Führungsfiguren von NPD und „Die Rechte“ gelten als zerstritten. Hier im Rathaus ist davon nichts zu sehen. Im Gegenteil. Ab und zu kommt Axel Thieme, der NPD-Vertreter, der weit entfernt am rechten Rand des Plenarsaals sitzt, und spricht mit Borchardt. Thieme beantragt, dass er mit dem Vertreter der „Rechten“ zusammensitzen kann. „Am besten vor der Tür“, kommentiert Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) süffisant. Nur der NPD-Ratsherr und Borchardt stimmen für den Antrag. Als Thieme sich in einem kurzen Redebeitrag über 1.000 zerstörte NPD-Plakate und den angeblich herrschenden „Gesinnungsterror“ beklagt, klatscht Borchardt als Einziger. Und nach Sitzungsende verlassen beide gemeinsam den Saal. SS-Siggi nimmt wieder die Seitentür. Er hätte auch durchs Haupttor gehen können, die DemonstrantInnen sind längst weg.

PASCAL BEUCKER, ANJA KRÜGER