Amoklauf im Museum

IRAK Extremisten des Islamischen Staats (IS) zerstören in Mossul wertvolle Zeugnisse der assyrischen Kultur

Einige Artefakte zertrümmerten die Fanatiker mit einem Presslufthammer

VON INGA ROGG

Den Sturm von Dschingis Khan, Kriege und Plünderungen haben der geflügelte Bulle und andere Zeugnisse der assyrischen Kultur im Irak überstanden. Nur den Bildersturm des Islamischen Staats (IS) nicht. Die Fanatiker haben das Ninive-Museum im nordirakischen Mossul und eine Ausgrabungsstätte verwüstet. Das Werk der Zerstörung, das sie anrichteten, zeigt ein Video, das am Donnerstag auf einer einschlägigen Website auftauchte.

Iraker reagierten darauf am Freitag mit einer Mischung aus Entsetzen und bitterbösem Humor. Ein Karikaturist verglich die Zerstörungen mit den Enthauptungen durch den IS. Die Unesco forderte eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates. Die Vernichtung sei mehr als eine kulturelle Tragödie, erklärte Unesco-Chefin Irina Bokova. Es sei eine Sicherheitsfrage, weil dadurch Konfessionalismus und gewalttätiger Extremismus angeheizt würden.

In dem gut fünfminütigen Video ist zu sehen, wie bärtige Extremisten in ihrer typischen Kluft und glatt rasierte Männer in Hosen und Hemden im Museum Statuen umstürzen und figürliche Darstellungen von den Wänden reißen. Mit Vorschlaghämmern dreschen sie so lange auf die Artefakte ein, bis nur noch Steinbrocken übrig sind. Andere zertrümmern sie mit einem Presslufthammer.

Unklar ist, wie viele der Artefakte Kopien sind, da sich etliche Originale im Britischen Museum befinden. Zweifelsfrei original ist der mehrere Meter hohe geflügelte Bulle am Nergal-Tor, der aus dem 9. Jahrhundert vor Christus stammt. Auch die Statue des assyrischen Königs Sargon aus dem 7. vorchristlichen Jahrhundert soll original sein.

Die Schätze stammen aus assyrischer und akkadischer Zeit. Sie seien als Götzenbilder angebetet worden, doziert ein bärtiger Islamist, während der Vandalismus seinen Lauf nimmt. Die Untat rechtfertigt er mit dem Vorbild des Propheten Mohammed und seiner Weggefährten. So wie damals sei es auch ihre Aufgabe, die Götzenbilder zu zerstören. Dass sie Millionen Dollar wert seien, sei ihnen egal.

Der Schmuggel antiker Zeugnissen ist eine der wichtigsten Finanzierungsquellen des IS. Nach Angaben der Unesco sind 4.500 archäologische Stätten unter seiner Kontrolle, mehr als 1.700 davon befinden sich in der Gegend um Mossul.

Seit der Einnahme von Mossul im vergangenen Juni gehen die Fanatiker erbarmungslos gegen die Minderheiten in der Region vor. In dieser Woche verschleppten sie im Osten von Syrien mindestens 280 Christen, die sich wie die Mehrheit der Christen im Irak als Nachfahren der Assyrer verstehen. Hunderte Angehörige der Minderheit sind in die von Kurden und dem syrischen Regime kontrollierten Städte Hassake und Kamishli geflohen. In der Region nahe der irakischen Grenze kämpfen Kurden und IS seit Tagen um die Kontrolle wichtiger Verbindungsrouten. Die Amerikaner flogen in den letzten Tagen mehr als eine Dutzend Luftangriffe.