Sudans Regierung setzt UNO unter Druck

DARFUR Sudans Präsident Bashir droht mit Ausweisung der UN-AU-Mission nach Streit um Zugang zu einem der größten Vertriebenenlager Darfurs. Schärfere Restriktionen für Blauhelme. Rebellen fordern Sezession

Die Spannungen zwischen Bashir und der UN haben sich verschärft

BERLIN taz | Im Sudan spitzt sich ein Streit zwischen der Regierung und der in Darfur stationierten Friedenstruppe von UNO und Afrikanischer Union (Unamid) zu. Präsident Omar Hassan al-Bashir drohte am Samstag, die Unamid hinauszuwerfen, sollte sie weiterhin den Behörden den ungehinderten Zugang zu Darfurs Kriegsvertriebenen verweigern. „Ihr Mandat ist, die Regierung zu unterstützen“, sagte Bashir. „Wer dieses Mandat verletzt, kann am gleichen Tag ausgewiesen werden.“

Hintergrund des Streits ist Gewalt im Vertriebenenlager Kalma in Süd-Darfur, wo rund 100.000 der zwei Millionen Binnenvertriebenen Darfurs leben. Am 27. Juli waren dort heftige Kämpfe zwischen Unterstützern und Gegnern der laufenden Friedensgespräche zwischen Sudans Regierung und kleinen Darfur-Rebellengruppen in Katars Hauptstadt Doha ausgebrochen. Elf Menschen starben, 7.000 Lagerbewohner suchten bei den Unamid-Truppen Schutz. Regierungsvertreter machten für die Gewalt die von Abdulwahid al-Nur geführte SLA (Sudan-Befreiungsarmee) verantwortlich. Die SLA dementierte.

Die stärkste Darfur-Rebellenarmee JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit) machte Sudans Regierung für die Kämpfe verantwortlich. Diese „sucht eine Ausrede, das Lager aus Sicherheitsgründen zu überfallen und dann die Gelegenheit zu ergreifen, die Lager aufzulösen, weil sie denkt, auf diese Weise den Darfur-Konflikt verschwinden lassen zu können“.

Für Sudans Regierung war die Gewalt in Kalma ein Beweis dafür, dass die UN-Mission in Darfur ihre Aufgaben nicht erfüllt. Zudem hätten sich sechs Urheber der Kämpfe in Kalma in Unamid-Obhut begeben. Diese müssten ausgeliefert werden, forderte die Regierung und kündigte am vorletzten Wochenende neue Restriktionen gegen die UN-Vertreter an: Man werde an Flughäfen künftig ihr Gepäck durchsuchen, und sie müssten sogar dann um Genehmigung nachsuchen, wenn sie sich in Süd-Darfurs Provinzhauptstadt Nyala bewegen wollten.

Erst am 30. Juli hatte der UN-Sicherheitsrat das Unamid-Mandat für ein Jahr verlängert. Die inzwischen rund 20.000 Unamid-Soldaten und Polizisten dürfen sich in Darfur sowieso nicht frei bewegen und werden regelmäßig von Kampfgebieten aus „Sicherheitsgründen“ ferngehalten. Am 21. Juni töteten Bewaffnete in Armeeuniform, nach UN-Angaben möglicherweise Angehörige der sudanesischen Grenzpolizei, drei ruandische Unamid-Soldaten in West-Darfur. Auch dort verweigerten die Behörden der UN-Mission die Erlaubnis, die Angreifer per Hubschrauber aufzuspüren.

Die neuen Restriktionen seien ein Bruch des geltenden Stationierungsabkommens, sagte UN-Sprecher Martin Nesirsky letzte Woche. Unamid-Chef Ibrahim Gambarai erklärte, eine Auslieferung der sechs Gesuchten sei ohne formelle Haftbefehle und Garantien für einen fairen Prozess nicht möglich. Die SLA warnte ihrerseits die UNO: Regierungsvertretern Zugang zum Lager Kalma zu gewähren und damit die „Täter des Völkermordes in die Lager zu lassen, in denen die Opfer leben“, sei „eine rote Linie“.

Das Lager wird inzwischen von regierungstreuen Milizen abgeriegelt, Hilfswerke haben keinen Zugang. Die Spannungen zwischen Bashir und der internationalen Gemeinschaft haben sich verschärft, seit der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag am 12. Juli den bestehenden Haftbefehl gegen Bashir wegen Kriegsverbrechen in Darfur um den Vorwurf des Völkermordes erweiterte. Der neue Streit sorgt nun für weitere Radikalisierung. JEM-Sprecher Ahmed Hussein warnte letzte Woche, der „andauernde Genozid in Darfur“ lasse der JEM keine andere Wahl, als Selbstbestimmung zu verlangen – Sezession gehörte bisher nicht zu den Forderungen der Darfur-Rebellen. Ägyptens führende Zeitung al-Ahram wiederum druckte letzte Woche eine Landkarte eines viergeteilten Sudan: Nach der zu erwartenden Abspaltung Südsudans 2011 nach dem geplanten Unabhängigkeitsreferendum würden auch Darfur und Ostsudan ihre Selbständigkeit verlangen. Bashir ist aus dieser Sicht das letzte Bollwerk gegen einen Zerfall des Sudan. DOMINIC JOHNSON