Rückschlag für Kagame: nur noch 93 Prozent

RUANDA Regierende RPF wartet gar nicht erst auf das Wahlergebnis, um trotz leicht sinkender Stimmanteile den hohen Sieg bei der Präsidentschaftswahl zu feiern. Berichte über Unregelmäßigkeiten aus Übereifer

AUS KIGALI SIMONE SCHLINDWEIN

„Tora Kagame!“ – „Wählt Kagame!“ erklingen die Sprechchöre im Fußballstadion hoch oben auf einem Hügel der ruandischen Hauptstadt. Stadion-Flutlichter erhellen den Nachthimmel über Kigali, Musik aus Lautsprechern schallt über die Häuserdächer. Tausende Ruander strömen in der Nacht zum Dienstag zum Stadion, um auf der Feier der regierenden RPF (Ruandische Patriotische Front) den Wahlsieg ihres Präsidenten Paul Kagame zu feiern – noch vor den Ergebnissen.

Im Stadion tanzen tausende Jugendliche zum Takt der Kagame-Popsongs. Musikgruppen heizen die Menge an. Es herrscht ausgelassene Stimmung – in einem Land, das sonst nicht für sein Nachtleben bekannt ist.

Als Kagame weit nach Mitternacht siegesgewiss die Bühne betritt, wird er mit Pfiffen und Klatschen begrüßt. Kagame tanzt ausgelassen mit. Über Lautsprecher verkündet die Wahlkommission die ersten Resultate: Auslandsruander in Europa oder Amerika. „Stimmen für Kagame in Deutschland: 61 Prozent“, hallt es durch das Stadion. Die Stimmen für die drei Oppositionskandidaten werden nicht genannt. Erst um vier Uhr, viele Jugendliche dösen bereits auf dem Rasen, gibt es die ersten richtigen Ergebnisse, bezogen auf 11 der 30 Distrikte: 92,9 Prozent für Kagame. Bei den vergangenen Wahlen 2003 heimste er 95 Prozent ein. Auf den Kandidaten der Sozialdemokraten entfallen 4,9 Prozent, auf den der Liberalen 1,5.

Beobachter hatten sogar mit noch mehr Kagame-Stimmen gerechnet. Internationale Wahlbeobachter berichteten, in mindestens acht von ihnen besuchten Wahllokalen hätten 100 Prozent der registrierten Wähler ihre Stimmen abgegeben – und alle wählten Kagame.

In ländlichen Gebieten im Osten des Landes wurden hunderte Menschen schon vor dem offiziellen Wahlbeginn mitten in der Nacht aus dem Bett gezerrt, um Kagame zu wählen. Ein Augenzeuge berichtet der taz: Die Wahllokale in einem Dorf öffneten bereits kurz nach Mitternacht. Zwischen 1 Uhr und 4 Uhr morgens hätten Menschen vor den Wahlbüros Schlange gestanden. Das Wahlgesetz besagt jedoch, dass nur zwischen 6 Uhr morgens und 15 Uhr am Nachmittag gewählt werden darf.

Ein Mann, der anonym bleiben will, sich allerdings als Dorfvorsteher und RPF-Mitglied ausgibt, gibt zu, er habe Männer mitten in der Nacht durch das Dorf geschickt. Mit Megafon und lautem Klopfen auf einen leeren Wasserkanister weckten sie die Einwohner auf: „Kommt raus und geht wählen“, riefen sie: „Ihr wisst ja, wen ihr wählen müsst – denjenigen, der euch eine Kuh und eine Versicherungskarte gegeben hat!“ Die Kagame-Regierung hat Krankenversicherungen eingeführt, Bauern wurde jeweils eine Kuh geschenkt, wenn sie die Subsistenzwirtschaft aufgeben. Der Dorfvorsteher bestätigt, er habe höchstpersönlich 83 seiner Einwohner genötigt, im Schein von Paraffinlampen ihren Daumenabdruck neben dem Kagame-Foto auf dem Stimmzettel zu hinterlassen – offen auf dem Tisch des Wahlbüros.

„Ich glaube nicht, dass es Unregelmäßigkeiten in Bezug auf den Wahlbeginn gegeben hat“, sagt Anil Gayan von den Wahlbeobachtern der Afrikanischen Union (AU) auf einer Pressekonferenz. Die endgültigen Wahlergebnisse werden offiziell am 17. August bekannt gegeben.

Kagame wird Ruanda für weitere sieben Jahre regieren. Laut Verfassung darf er dann zu keiner dritten Amtszeit antreten. Die größte Herausforderung sei jetzt, so ein junger Kagame-Anhänger im Stadion: „Uns Jugendlichen eine gute solide Bildung zu ermöglichen.“