Pompöser Gipfel mit magerem Ergebnis

OSZE Mitgliedstaaten können sich in Kasachstan auf keine Abschlusserklärung einigen. Russland schießt quer

AUS ASTANA MARCUS BENSMANN

Der große Wurf in der kasachischen Steppe blieb aus. Bis zum Donnerstagabend konnten sich die Mitglieder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nicht auf eine Abschlusserklärung für den pompös organisierten Gipfel in Astana einigen. Wenn in der Nacht doch noch ein Papier unterschrieben werden sollte, würde es, wie Beobachter versichern, lediglich eine Ansammlung von Gemeinplätzen sein, damit dem kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew die Schmach eines ergebnislosen Treffens erspart bliebe.

Berlusconis Lobeshymne

Das OSZE-Treffen geriet damit nicht, wie die kasachische Propaganda zuvor lauthals verkündete, zu einem historischen Ereignis, sondern steht am Rande einer diplomatischen Katastrophe. Italiens Premierminister Silvio Berlusconi versuchte den Tag für den autoritär regierenden Nasarbajew noch zu retten. In einer Intervention pries Berlusconi den kasachischen Amtskollegen in höchsten Tönen. Die Errichtung der kasachischen Hauptstadt Astana sei ein „Wunder“ und entspränge einem „genialen Geist“. Dieser sei der Grund, warum „unabhängige Meinungsforschungen“ einen Beliebtheitswert des Präsidenten von 92 Prozent ermittelt hätten.

Der OSZE-Gipfel in Astana stolperte über gegensätzliche Sichtweisen zum georgisch-russischen Krieg und die Unfähigkeit der Organisation, Konflikte zu regulieren. Der usbekische Außenminister Wladimir Norow konstatierte in Astana, dass die OSZE auch während der ethnischen Unruhen in Südkirgistan versagt hätte. Gleich zu Beginn der Zusammenkunft der Regierungschefs der OSZE-Staaten verurteilte der russische Präsident Dmitri Medwedjew das militärische Vorgehen Georgiens in Südossetien im Sommer 2008. Nachfolgend verteidigten US-Außenministerin Hillary Clinton, Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie die Repräsentanten der anderen EU-Staaten Georgien und forderten, dass die OSZE-Mission auch in Südossetien und Abchasien tätig sein sollte. Im August 2008 vertrieben russische Truppen die georgische Armee aus Südossetien, die die abtrünnige Provinz besetzt hatte. Kurz darauf erkannte Russland Südossetien und die georgische Nachbarprovinz Abchasien als unabhängige Staaten an. Kein anderer Mitgliedstaat der OSZE folgte diesem Schritt.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow machte klar, dass Russland kein Dokument unterzeichnen werde, in dem von einem Konflikt „in Georgien“ die Rede sei, da aus Sicht des Kremls Abchasien und Südossetien nicht mehr Teile des Kaukasusstaates seien. In der der taz vorliegenden Arbeitsfassung des Aktionsplans, der in der Astana-Deklaration verabschiedet werden sollte, wird Georgien aber als Konfliktland aufgezählt. Russland kippte die Vorlage.

Streit um Berg-Karabach

Zusätzlich rasselten noch die Staatschefs von Armenien und Aserbaidschan am Konferenztisch mit den Säbeln. Zum Ende der Sowjetunion spaltete sich die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Provinz Berg-Karabach von der damaligen aserbaidschanischen Sowjetrepublik ab. Während langjähriger bewaffneter Auseinandersetzungen kam es zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Die OSZE versucht seit 1994 über die Minsker Verhandlungsgruppe den Konflikt zu entschärfen.

Der aserbaidschanische Präsident Ilchom Alijew warf in Astana Armenien erneut „Genozid“ und „ethnische Vertreibung“ vor. Der armenische Präsident Sersch Sargsjan beschwerte sich über die Aufrüstung in Aserbaidschan. Beide beschuldigten sich gegenseitig, nicht an einer Friedenslösung interessiert zu sein.