Erneut Hunderte Tote bei Flucht aus Libyen nach Europa

MITTELMEER 580 Afrikaner von Tunesien aus einem Flüchtlingsboot geborgen, aber 800 waren darauf

TUNIS/SFAX rtr/afp/taz | Mindestens 150 afrikanische Bürgerkriegsflüchtlinge aus Libyen, die unterwegs nach Europa waren, sind beim Untergang im Mittelmeer ums Leben gekommen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR bestätigte am Freitag, bis jetzt seien „150 Leichen von Flüchtlingen“ vor der tunesischen Insel Kerkennah geborgen worden, „die Suchoperationen dauern an“.

Die Gesamtzahl der Toten könnte sich Schätzungen zufolge auf 200 bis 270 belaufen. Rund 800 Menschen befanden sich auf dem Boot, das um das vergangene Wochenende von einem unbekannten Ort aus in See stach, um die italienische Insel Lampedusa zu erreichen. Schwere Stürme nahe der tunesischen Insel Kerkennah verhinderten die Weiterfahrt. Die tunesische Küstenwache startete am Dienstag eine Rettungsaktion, aber genau das wurde den Fliehenden offenbar zum Verhängnis: Als die Flüchtlinge sich drängelten, um die Rettungsboote zu erreichen, sank ihr Boot im schweren Wellengang, und nur rund 580 Menschen wurden gerettet.

Die Überlebenden wurden in den tunesischen Hafen Sfax gebracht, und am Donnerstag begann die tunesische Armee, sie in das Flüchtlingslager Choucha nahe der libyschen Grenze zu bringen, in vergangenen Wochen Schauplatz schwerer Unruhen. Rund 200 der 580 Überlebenden kommen aus Nigeria, gaben die Behörden an. 480 von ihnen sind Männer, unter den 91 Frauen befinden sich zwei Schwangere. Die Flüchtlinge werden jetzt vom UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) registriert.

Die Lage der in Libyen lebenden Migranten aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara gilt seit Beginn des Bürgerkrieges im Februar als dramatisch, und anders als Europäer oder Asiaten können sie nicht auf Evakuierung durch ihre Regierungen zählen. Viele machen sich auf eigene Faust auf den Weg durch die Wüste nach Tschad und Niger oder durch das Mittelmeer Richtung Europa. Nach UN-Angaben sind seit Beginn der Krise mindestens 1.200 Kriegsflüchtlinge aus Libyen auf dem Weg nach Europa ertrunken. D. J.

Rebellenerfolg im Westen

Die libyschen Aufständischen haben derweil nach eigenen Angaben zwei wichtige Ortschaften im Westen des Landes erobert. Die Dörfer Jefren und Schakschuk in den Nafussa-Bergen seien am Donnerstag befreit worden, sagte ein Rebellenführer, Oberst Dschumaa Ibrahim, am Freitag. In Schakschuk befindet sich ein strategisch wichtiges Kraftwerk. In einem weiteren Dorf am Fuße des Nafussa-Gebirges dauerten die Kämpfe noch an, erklärte Ibrahim weiter. „Unser Ziel ist die Hauptstadt“, sagte er. China bestätigte unterdessen erstmals Kontakt zum Nationalen Übergangsrat der libyschen Aufständischen. (dapd)