Kroatische Regierungschefin im Wahlkampf: Skandal um Vorgänger

Der Prozess gegen den Ex-Regierungschef Ivo Sanader hat begonnen. Er soll Millionenbeträge abkassiert haben. Seiner Nachfolgerin kommt das ungelegen.

Hätte sich fürs Gericht gern anders angezogen: Ivo Sanader. Bild: reuters

SPLIT taz | Diesen Wahlkampf hatte sich die kroatische Regierungschefin Jadranka Kosor sicher anders vorgestellt. Unter ihrer Führung hat Kroatien erfolgreich mit der EU über die Mitgliedschaft des Landes verhandelt, sie hat zum Erstaunen vieler Beobachter seit fünf Jahren ernsthaft den Kampf gegen die weitverbreitete Korruption betrieben, ihren Vorgänger Ivo Sanader abgesetzt und einige ihrer Parteifreunde um Amt und Würden gebracht. Jadranka Kosor hat sich so Respekt im In- und Ausland verschafft.

Doch jetzt, zum ungelegensten Zeitpunkt, hat sie die Geschichte wieder eingeholt. Am Freitag begann der Prozess gegen ihren Vorgänger Ivo Sanader, dem vorgeworfen wird, fast eine halbe Million Euro staatlicher Gelder in die eigene Tasche gesteckt zu haben. Hinzu kommen am Donnerstag gestreute Informationen, die besagen, dass die gesamt Führungselite ihrer Partei, der "Kroatisch Demokratischen Gemeinschaft" ( HDZ ) in einen Parteispendenskandal verwickelt ist.

In Umfragen war die HDZ schon vor diesen Terminen auf 20 Prozent abgestürzt, das von den Soziademokraten geführte Vierparteienbündnis dagegen konnte schon vorher mit über 38 Prozent der Stimmen rechnen. Das Stimmenvolumen beider Lager wird sich wohl noch einmal zuungusten der Regierungspartei veschieben.

Ein großes Medienaufgebot erwartete den ehemaligen Regierungschef Sanader, als er vor Gericht geführt wurde. Mit Jeans und Hemd bekleidet beklagte er sich, er habe gedacht, er würde ins Hospital gebracht, nicht ins Gericht, "sonst hätte ich mich anders angezogen.". Sein Gesundheitszustand sei schlecht, er klagte über Herzprobleme. Die Eröffnung des Verfahrens wurde daraufhin von dem Gericht auf den 3. November verschoben.

Sanader bestreitet alles

Sanader wird vorgeworfen, in den Kriegsjahren 1994/95 bei der Aufnahme eines Kredits für das Außenministerium eine Provision von rund 481.000 Euro von der Kärntner Hypo Alpe Adria Bank kassiert zu haben. Er soll weiterhin zehn Millionen Euro vom ungarischen Energiekonzern MOL bekommen haben. Im Gegenzug soll MOL die Kontrolle über das nationale kroatische Öl- und Gasunternehmen zugesichert worden sein.

Sanader muss sich noch in vier weiteren Korruptionsaffären verantworten. Sanader, der im vorigen Jahr zunächst in Österreich verhaftet worden war und seit Juli 2011 in Kroatien in Untersuchungshaft sitzt, bestreitet allerdings alle Vorwürfe.

"Wir sind eine Partei, die aus diesem Prozess gestärkt hervorgehen wird, die als erste den Kampf gegen die Korruption begonnen hat", sagte Regierungschefin Kosor noch am Donnerstag. Davor waren zahlreiche Informationen und Zeugenaussagen an die Medien gedrungen, die geschildert hatten, wie während der vergangenen Wahlkämpfe Geld aus staatlichen Firmen in die "schwarzen Fonds" der Partei geflossen war, mit denen sie Politiker, Veranstaltungen und sogar Künstler bezahlt haben soll.

Millionen in bar verteilt

Laut Zeitungsberichten gingen zwei Millionen Euro, die für den Bau der Zagreber Sportstadions vorgesehen waren, direkt an die HDZ. Ein ehemaliger hochrangiger Zollbeamter hatte vor den Ermittlern eine entsprechende Aussage getätigt.

Die Millionenbeträge wurden sogar in bar an Parteimitglieder verteilt und in den Wahlkampf eingebracht. Kritische Beobachter und Nichtregierungsorganisationen hatten schon vor Jahren auf Unregelmäßigkeiten bei den Wahlkämpfen hingewiesen und herausgefunden, dass die Partei doppelt so viel Geld ausgab wie sie offiziell eingenommen hatte.

Dass jetzt, mit dem Beginn des Wahlkampfes, die Anschuldigungen plötzlich ein breite Publizität erhalten, könnte objektive Bobachter allerdings stutzig machen. In Kroatien wurde Wahlkämpfe immer mit harten Bandagen geführt. In früherer Zeit scheute sich die HDZ nicht, ihre politischen Gegner mit Gerüchten und Falschmeldungen zu überziehen. Jetzt scheint sich das Blatt gegen die Regierungspartei zu wenden.

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