Nur beten und boykottieren

GUANTÁNAMO Die fünf Angeklagten im Al-Qaida-Prozess ignorieren das Gericht und beantworten keinerlei Fragen. Sie tragen weiße Gewänder, dem Jenseits zugewandt

„Diese Männer wurden in den letzten acht Jahren misshandelt“

CHERYL BORMAN, VERTEIDIGERIN

KUBA afp/dpa | Mehr als zehn Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ist gegen die fünf Hauptverdächtigen am Samstag formell die Anklage erhoben worden. Die mutmaßlichen Al-Qaida-Mitglieder müssen sich vor dem US-Militärgericht in Guantánamo auf Kuba wegen Verschwörung, Anschlägen auf Zivilisten, Mord, Flugzeugentführung und Terrorismus verantworten. Die mehr als 13-stündige Anhörung versuchten die Angeklagten durch Schweigen zu boykottieren.

Neben dem mutmaßlichen Drahtzieher, dem 47-jährigen Pakistaner Khalid Scheikh Mohammed, der als Chefplaner des inzwischen getöteten Al-Qaida-Anführers Osama Bin Laden galt, müssen sich der Saudi Mustafa Ahmad Al-Hawsawi, Mohammeds Neffe Ali abd Al-Aziz Ali sowie die Jemeniten Ramzi Binalshibh und Walid Bin Attash für eine Verwicklung in die Anschläge verantworten. Bei der Verlesung der Anklageschrift waren die Inhaftierten das erste Mal seit mehr als drei Jahren öffentlich zu sehen.

Die fünf Beschuldigten erschienen in weißen Gewändern vor Gericht, zum Teil trugen sie weiße Kopfbedeckungen. Neun Stunden lang verweigerten sie jegliche Aussage, lasen in einem Buch, das aussah wie der Koran, starrten auf den Boden oder knieten zum Gebet nieder. Zudem weigerten sie sich, Kopfhörer zur Übersetzung zu tragen. „Der Beschuldigte weigert sich zu antworten“, wiederholte Richter James Pohl mehrfach.

Dann rief Binalshib plötzlich: „Vielleicht werdet ihr uns nicht mehr wiedersehen.“ Direkt an den Richter gewandt sagte er: „Ihr werdet uns töten und anschließend sagen, wir hätten uns das Leben genommen.“

Mohammed äußerte sich nicht. Sein Anwalt David Nevin erklärte, Mohammed habe bereits vor drei Jahren „von A bis Z“ gestanden und werde sich vor Gericht nicht äußern, da er große Zweifel an einem fairen Verfahren habe. Mohammed hatte seine Beteiligung an den Anschlägen in der Haft gestanden, doch seine Aussagen wurden vermutlich unter Folter erzwungen.

Bin Attashs Verteidigerin Cheryl Borman – die einzige Frau unter den Anwälten – erschien vor Gericht schwarz gekleidet und verschleiert. „Diese Männer wurden in den vergangenen acht Jahren misshandelt“, sagte Borman.

An der Gerichtsverhandlung nahmen auch einige Journalisten sowie Verwandte der 9/11-Opfer teil. Dutzende weitere Reporter verfolgten die Anhörung über einen Bildschirm. Die fünf Männer waren zwischen 2002 und 2003 festgenommen und anschließend in geheimen CIA-Gefängnissen und in Guantánamo inhaftiert worden.

Das Verfahren hatte unter Ex-US-Präsident George W. Bush begonnen. Dessen Nachfolger Barack Obama stoppte es wegen rechtsstaatlicher Bedenken gegen die Militärprozesse in Guantánamo, scheiterte jedoch mit seinem Vorhaben, den Angeklagten vor einem US-Bundesgericht den Prozess zu machen.

Die nächste Sitzung in dieser Anhörung soll zwischen dem 12. und 15. Juni stattfinden. Bis zum Beginn der Hauptverhandlung dürfte indes noch mindestens ein Jahr vergehen. GB