Occupy unter Terrorverdacht

USA Polizei in Chicago nimmt drei Mitglieder der Bewegung fest. Sie sollen Überfälle während der Nato-Tagung geplant haben. Ihre Anwältin spricht von Angstkampagne

US-Medien nennen die drei bei vollem Namen und bezeichnen sie als „Anarchisten“

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Wegen „heimischen Terrorismus“ hat die Polizei in Chicago drei junge Männer verhaftet. Sie hätten, so die Staatsanwaltschaft in Chicago am Samstag, während der Nato-Tagung Überfälle auf Polizeiwachen, auf das örtliche Wahlkampfbüro von Barack Obama und auf das Haus von Bürgermeister Rahm Emanuel verüben wollen.

Eine Anwältin der Beschuldigten spricht hingegen von einer „Angstkampagne mit dem Ziel, Demonstranten davon abzuhalten, auf die Straße zu gehen“. Nach einem Treffen mit den drei jungen Männern erklärte Anwältin Sarah Gelsomino am Samstag: „Sie stehen unter Schock und haben keine Ahnung, woher die Vorwürfe kommen.“

Die drei Männer aus der Occupy-Bewegung waren vor Tagen aus Florida zu den Protesten gegen die G 8 und die Nato nach Chicago gereist und hatten sich dort an zahlreichen Demonstrationen beteiligt. Mitte vergangener Woche wurden sie bei einer nächtlichen Razzia in einer Wohnung in Chicago festgenommen. Vier Tage später präsentierte die Polizei ihre Waffen: Messer und Schlagringe sowie „mit Benzin gefüllte Bierflaschen“.

Die Vorwürfe gegen die drei lauten auf „Besitz explosiver Geräte“, „Konspiration mit terroristischem Ziel“ und „materielle Unterstützung von Terrorismus“. Staatsanwältin Anita Alvarez sagte bei einer Pressekonferenz, Brian Church, einer der Beschuldigten, habe seine Mitbeschuldigten gefragt: „Habt ihr schon einen Cop brennen sehen?“

US-Medien nennen die drei bei vollem Namen und bezeichnen sie als „Anarchisten“. Sie berichten, dass ein in ihre Gruppe infiltrierter Polizeiagent sie seit Längerem observiert habe.

Auf Webseiten der Anti-Nato-Protestbewegung hieß es am Samstag, die drei jungen Männer hätten den Zorn der Polizei auf sich gezogen, als sie wenige Tage vor ihrer Verhaftung eine Durchsuchung ihres Autos durch die Polizei – inklusive polizeilicher Drohungen – undercover gefilmt und online gestellt hätten.

Der Polizeichef von Chicago, Garry McCarthy, bezeichnete die Verhaftungen als das Bemühen, eine „unmittelbare Bedrohung“ abzuwenden. Vor dem Nato-Gipfel haben Chicagos Bürgermeister Emanuel und Friedensgruppen zermürbende Diskussionen über Demonstrationen geführt. Emanuel, Exmitarbeiter von Obama im Weißen Haus, lehnte mehrere Demonstrationsrouten und -termine ab. Sein Polizeichef McCarthy hat im Vorfeld seine Taktik für den Umgang mit Gegendemonstranten veröffentlicht. Er will „Lärm-Kanonen“ einsetzen, um Menschen auseinanderzutreiben. Und er hat seine Beamten beauftragt, „Gesetzesbrecher“ einzeln aus Demonstrationen herauszuholen.