Menschenrechtler mit Familie in den USA eingetroffen

CHINA Blinder Bürgerrechtler Chen will in New York Studium aufnehmen. Neffe unter Mordanklage

AUS PEKING FELIX LEE

Die Odyssee ist zu Ende. Chen Guangcheng ist Samstagabend mit seiner Familie in New York angekommen. „Ich bin dankbar“, sagte der blinde Bürgerrechtler kurz nach seiner Ankunft. Er würdigte, dass die chinesische Regierung „zurückhaltend und ruhig mit der Situation“ umgegangen sei. Chen wird auf Einladung der New Yorker Universität ein Jurastudium beginnen.

Damit findet das dreiwöchige Drama zwischen China und den USA ein vorläufiges Ende. Chen war am 22. April seinen Bewachern in seiner Heimatprovinz aus dem Hausarrest entkommen. Diese hatten ihn nach einer bereits verbüßten Haftstrafe ohne Rechtsgrundlage seit 19 Monaten festgehalten. Ihm gelang die Flucht in die US-Botschaft in Peking – was diplomatische Spannungen zwischen den beiden Großmächten auslöste. US-Außenministerin Hillary Clinton setzte sich persönlich für ihn ein.

Doch nachdem Chen die Botschaft verlassen hatte, bekam er es mit der Angst vor den chinesischen Behörden zu tun und bat um Ausreise in die USA. Zwar willigte Chinas Regierung nach intensiven Verhandlungen ein. Aber sie machte deutlich, dass sie die Aufnahme Chens durch die Amerikaner missbilligt und darin eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten sieht.

In China selbst versuchten die staatlich kontrollierten Medien am Sonntag, Chens Ausreise kleinzureden. Die Nachrichtenagentur Xinhua vermeldete nur, dass Chen auf regulärem Wege eine Genehmigung für ein Auslandsstudium erhalten habe. Umso eifriger wird im chinesischen Internet diskutiert. „Jeder kann von Chen lernen, was das Land am meisten benötigt: Hoffnung und die Beharrlichkeit, seinen Idealen zu folgen“, twittert eine Unterstützerin. Ein anderer schreibt von einem „Punktsieg für die Menschenrechte“.

Vor seiner Haft hatte sich der Aktivist viele Jahre für die Opfer von Zwangsabtreibungen und gegen Behördenwillkür bei Landenteignungen eingesetzt. Wegen Behördenwillkür ist die Tortur für Chen noch nicht ausgestanden. Wenige Tage nach seiner Flucht hatten Beamte das Haus des Bruders gestürmt. Als sich der Neffe mit einem Messer wehren wollte, kam es zu Rangeleien. Er soll wegen versuchten Mordes verklagt werden. Darauf steht in China die Todesstrafe.