LESERINNENBRIEFE
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Einschüchterung von Zivilcourage

■ betr.: „Endlosprozess gegen Nazis endet“, „taz darf Akten zu Dresdner Handygate einsehen“, taz vom 12. und 13. 6. 2012

Eklatanter hätten die sächsischen Behörden ihre rechtsseitige Blindheit nicht zeigen können: Zu dem Urteil, dass es sich bei der rechtsextremen Kameradschaft um eine „kriminelle Vereinigung“ handelt, musste die Staatsanwaltschaft erst durch den Bundesgerichtshof gezwungen werden, nachdem sie das Verfahren schon lange verschleppt hatte; dafür fielen die Haftstrafen weg. Dagegen wird „wegen des Verdachts einer kriminellen Vereinigung im linken Spektrum“ anlasslos gegen Menschen ermittelt, die sich Rechtsextremismus entgegengestellt haben, wohl als Einschüchterung gegen praktizierte Zivilcourage. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Das ist wahre Chuzpe!

■ betr.: „Atomkonzerne wollen Milliarden“, taz vom 14. 6. 12

Sie hätten in Ihrem Artikel erwähnen sollen, dass die Stromkonzerne die Kosten für Zwischen- und Endlagerung auf den Steuerzahler abgewälzt haben. Jetzt den Staat wegen entgangener Gewinne zu verklagen, das ist wahre Chuzpe! Als Steuerzahlerin würde ich am liebsten Eon, EnBw, Vattenfall und RWE auf Übernahme sämtlicher Kosten der Atomenergie verklagen! SABINE KOMOSSA, Bonn

Tapferkeit und Vaterlandsliebe

■ betr.: „Koalition der Erregten“, taz vom 14. 6. 12

Ulrike Winkelmann hat recht: Joachim Gauck Kriegstreiberei vorzuwerfen, geht am Kern seiner kürzlich gehalten Rede vorbei. Gauck fordert nicht den Krieg ein oder wirbt offen für diesen.

Vielmehr zeigt sich der Bundespräsident als Teil einer Phalanx, die sich für eine neue militärische Normalität in der Gesellschaft einsetzt. Wenn, wie kürzlich in der FAZ, der Bundeswehrgeneralinspekteur Volker Wieker die „Renaissance soldatischer Tugenden“ wie Tapferkeit und Vaterlandsliebe begrüßt, Bundespolitiker proklamieren, ökonomische Interessen auch militärisch durchsetzen zu wollen und dafür kaum mehr Widerspruch erhalten, wenn SoldatInnen wieder mit heroischen Tapferkeitsorden ausgestattet und kriegerische Interventionen gar zum selbstverständlichen Instrument der Außenpolitik werden, ist die Rede Gaucks, der der „glückssüchtigen Gesellschaft“ attestiert, sich der „Ehre der Gefallenen“ zu verweigern, in eben genau diesem Kontext zu betrachten.

An einer Stelle hat Gauck auch recht: Über Bundeswehreinsätze muss in der „Mitte der Gesellschaft“ diskutiert werden und Adressat der Kritik dürften nicht die SoldatInnen sein. Vielmehr müsste ein Bundespräsident im Fokus der Diskussion stehen, der die Bundeswehr zum Dienstleistungsunternehmen in der Freiheitsexportbranche verklärt und gar vom Militär als „Friedensmotor“ fabuliert.

NILS MERTEN, Hannover

Neue nukleare Abschreckung

■ betr.: „Dampfgeplauder weckt Enttäuschung“, taz vom 11. 6. 12

Ich finde es schon sehr bedenklich, wenn der Verteidigungsminister de Maizìere im Interview die Verantwortung für eine nukleare Bewaffnung der U-Boote allein der Regierung in Jerusalem zuschiebt. Und wenn er dann auf die nächste Frage über die Notwendigkeit einer Mitbezahlung der U-Boote durch die Bundesrepublik ausweichend verkündet: „Deutschlands Sicherheit bestand vier Jahrzehnte auch auf nuklearer Abschreckung“, dann klingt das für mich sehr gefährlich. Warum soll dieses Recht dann nur für Israel gelten und für andere Staaten auf der Welt nicht. Diese Aussage ist eine gute Basis für eine Rechtfertigung der Regime in Nordkorea, Iran oder jedes anderen Staates für ihre Atomprogramme. TILO KORTSCH, Hörnum