Neuer Prozess um Amanda Knox

ITALIEN Der mutmaßliche Sexualmord von Perugia aus dem Jahre 2007 wird neu aufgerollt. Die Freisprüche sind aufgehoben. Die internationale Aufmerksamkeit ist garantiert

Das Verbrechen war vermutlich ein Sexualmord mit einem mysteriösen Tathergang

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Der Mordprozess gegen Amanda Knox, den „Engel mit den Eisaugen“, wird neu aufgerollt. Am Dienstag hat das Kassationsgericht in Rom den 2011 in Perugia ergangenen Freispruch von Knox und ihrem Mitangeklagten Raffaele Sollecito aufgehoben. Italiens höchster Gerichtshof verfügte einen neuen Prozess um den Mord an der Studentin Meredith Kercher vor dem Appellationsgericht Florenz.

Eine Britin das Opfer, die mutmaßlichen Täter eine US-Amerikanerin, ein Italiener, dazu noch ein Ivorer, alle miteinander junge, schöne Menschen aus dem internationalen Studentenmilieu von Perugia, der Tatort eine WG, das Verbrechen vermutlich ein Sexualmord, ein bis heute mysteriös gebliebener Tathergang: Der Fall hatte alle Ingredienzien, um weltweit Schlagzeilen zu machen.

Die 21-jährige Meredith Kercher, die mit Knox und zwei Italienerinnen eine WG teilte, wurde am Morgen des 2. November 2007 mit durchschnittener Kehle in ihrem Zimmer aufgefunden. Amanda Knox machte sich schnell mit widersprüchlichen Aussagen verdächtig. Sie beschuldigte als Täter einen Kongolesen, in dessen Kneipe sie gelegentlich kellnerte, der daraufhin verhaftet wurde, schnell aber wieder freikam, da er ein wasserdichtes Alibi hatte.

Dagegen ergaben DNA-Spuren zweifelsfrei, dass der 20-jährige Ivorer Rudi Guede am Tatort war. Guede, der zugab, zum Zeitpunkt der Tat im Haus gewesen zu sein und Schreie gehört zu haben, ansonsten aber eisern schwieg, wurde in einem getrennten Verfahren letztinstanzlich zu 16 Jahren Haft verurteilt.

Doch die Staatsanwaltschaft Perugia ging von einer Gemeinschaftstat Guedes mit Fox und ihrem damaligen Freund Sollecito aus; ihre Anklage gegen das Pärchen stützte sie auf DNA-Spuren am BH des Opfers sowie an einem Messer. Auf dieser Basis wurden die Angeklagten, die ihre Unschuld beteuerten, zunächst in erster Instanz verurteilt; Knox erhielt 26, Sollecito 25 Jahre Haft. Das Gericht entwarf, ohne über Zeugenaussagen oder eindeutige Spuren vom Tatort zu verfügen, dennoch eine detaillierte Rekonstruktion der Tat, wonach Guede erst versucht habe, Kercher zu vergewaltigen, und dann Knox zusammen mit Sollecito, mit Messern bewaffnet und erregt durch die Szene, hinzugekommen seien. Am Ende habe Amanda der heftig Widerstand leistenden Meredith die Kehle durchgeschnitten.

Das Berufungsverfahren brachte dann jedoch im Oktober 2011 einen umfassenden Freispruch, gestützt auf von der Verteidigung in Auftrag gegebene DNA-Analysen, die die Gutachten der Anklage erschütterten und eine externe Kontaminierung der Beweisstücke nahelegten. Daraufhin ging die Staatsanwaltschaft vor dem Kassationsgericht in Berufung. Ihr Vertreter äußerte dort am Montag in der Anhörung, das Appellationsgericht in Perugia sei nur zu einem Freispruch gekommen, weil es in dem Fall „komplett die Orientierung verloren“ habe.

Dieser Sicht schloss das Kassationsgericht sich jetzt an. Damit stehen wenigsten zwei weitere Runden in dem spektakulären Verfahren bevor: Zunächst der neue Prozess in Florenz, dann mit Sicherheit noch einmal ein Spruch des Kassationsgerichtes.