Viktor Orbáns Alleinherrschaft ist bestätigt

UNGARN Die rechtsnationale Fidesz kommt erneut auf eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Nach dem guten Abschneiden der faschistischen Jobbik rechnen Beobachter mit einem Rechtsruck im Kabinett

WIEN taz | Ungarns Premier Viktor Orbán wird wieder mit einer Zweidrittelmehrheit regieren können. Das wurde nach Auszählung der Briefwahlstimmen bestätigt. Die Koalition Fidesz/KDNP hat demnach 133 der 199 Sitze gewonnen. Aus 44,36 Prozent der gültigen Stimmen wurden dank neuem Wahlgesetz 66,83 Prozent der Mandate. Die sozialistische MSZP und ihre Verbündeten kommen auf 38 Mandate, die rechtsextreme Jobbik eroberte 23 Sitze, die grüne LMP 5.

Diese am Wochenende vom Nationalen Wahlbüro bekannt gegebenen Zahlen werden zwar erst am 25. April offiziell verlautbart, können aber als verbindlich gelten. Für die über mehrere Jahre mühsam zusammengeschweißte Linksallianz war die Wahlschlappe der Todesstoß. Sie zerfiel schon wenige Tage nach den Wahlen vom 6. April. Nur die MSZP ist mit ihren 29 Abgeordneten stark genug, um eine Fraktion zu bilden, die anderen werden als unabhängige Abgeordnete dem Gesetzgebungsfuror der Regierung zu trotzen versuchen.

Expremier Gordon Bajnai, Architekt des Bündnisses, will sein Mandat nicht annehmen und die Opposition von außen aufbauen. Ähnliches hat Tímea Szabó von der LMP-Abspaltung „Dialog für Ungarn“ vor: „Angesichts der Zweidrittelmehrheit des Fidesz und dem Erstarken von Jobbik wird das Parlament zu einem Kasperletheater verkommen.“ Die Linke müsse von unten erneuert werden. Nur dann sei es möglich, Ungarn 2018 von Viktor Orbán zu „befreien“.

Die Facebook-Initiative „Eine Million Menschen für die Pressefreiheit“, die einst große Proteste gegen das repressive Mediengesetz auf die Straße gebracht hatte, löste sich ganz auf. Wie desolat der Zustand der Bewegung ist, kann man daran ablesen, dass ihr Chef und einziger Abgeordneter Péter Juhász von dieser Entscheidung über Facebook erfuhr.

Viktor Orbán wird also in den kommenden Jahren Opposition vor allem von der faschistischen Jobbik zu spüren bekommen, die als einzige Partei deutliche Zugewinne erzielen konnte. So ist es wohl kein Zufall, wenn die Budapester Gerüchteküche im künftigen Kabinett des Ministerpräsidenten einen Rechtsruck ausmacht. Dass Außenminister János Martonyi die Regierung verlässt, ist schon länger klar. Der 70-jährige Diplomat hatte zuletzt sichtbar Mühe, die autoritären Reformen Ungarns in Brüssel zu verkaufen. Ihm folgt der bisherige Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten und Orbán-Vertraute Péter Szijjártó. Er hat die internationalen Wirtschaftskontakte Ungarns gepflegt. Vor einem Aufstieg steht auch Orbáns Büroleiter János Lázár, der Fraktionschef oder Justizminister werden könnte. Vor den Wahl hatte er noch bedauert, dass Ungarn die Todesstrafe nicht einführen dürfe.

RALF LEONHARD