Die bittere Story von Hurricane

USA Der schwarze Exboxer Rubin Carter saß 19 Jahre unschuldig im Gefängnis. Bob Dylan setzte ihm mit dem Lied „Hurricane“ ein Denkmal. Am Sonntag ist Carter gestorben

Sein Urteil sei aus „Rassismus statt aus Vernunft“ zustande gekommen, so Carter

AUS NEW YORK DOROTHEA HAHN

Rubin Carter, den die Welt als „Hurricane“ kennt, hat viele Leben gelebt. In jedem einzelnen war er ein Kämpfer. Noch von seinem Sterbebett aus plädierte der einstige Boxer für die Freilassung eines anderen langjährigen Gefängnisinsassen in den USA. „Dies ist mein letzter Wille“, schrieb Carter im März. Er saß selbst 19 Jahre lang für ein Verbrechen hinter Gitter, das er nicht begangen hat. Nach seiner Entlassung zog Hurricane nach Kanada und engagierte sich gegen das Gefängnissystem in den USA, das gegenwärtig 2,4 Millionen Menschen hinter Gittern hält. Am Sonntag ist der 76-Jährige an Krebs gestorben.

In seinem ersten Leben kam Carter kurz nach seinem 14. Geburtstag in eine Jugendstrafanstalt im heimischen New Jersey. Wegen Überfällen. Seine nächsten Stationen waren die US-Army und Westdeutschland, wo er das Boxen lernte. Unter dem Namen Hurricane gelangte er in den frühen 60er Jahren im Ring zu Ruhm. Als Mittelgewichtler war er wegen seines linken Hakens gefürchtet.

Am 17. Juni 1966 endete Hurricanes Karriere abrupt. Er und sein Freund John Artis wurden des mehrfachen Mordes in der Lafayette Bar in Paterson, New Jersey, beschuldigt. Ohne materielle Beweise und aufgrund der Zeugenaussagen von zwei Dieben, die ihre Aussagen später widerriefen, wurden die beiden afroamerikanischen Männer von einer weißen Jury zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt.

Hurricanes Schicksal hat Künstler wie Bob Dylan inspiriert, der 1975 eines seiner schönsten Stücke über den Boxer schrieb. Es wurde die Hymne der internationalen Solidaritätsbewegung für Rubin Carter. 1999 spielte Denzel Washington die Rolle von Hurricane in dem gleichnamigen Film. Zu dem Zeitpunkt lebte Carter bereits seit 14 Jahren in Kanada. 1985 hatte ein Richter seine Verurteilung für ungültig erklärt. Von Kanada aus tourte Carter um die Welt. Schrieb Bücher und hielt Vorträge, um gegen das Gefängnis-System in den USA zu protestieren. In vielen Ländern – wie Kanada und Australien – erhielt er akademische Ehrentitel. Nelson Mandela widmete ihm einen Text. In den USA hetzten immer noch Leserbriefschreiber gegen den „Mörder“, als Carter im März seinen letzten Willen veröffentlichte (www.nydailynews.com/opinion/hurricane-carter-dying-article-1.1621747).

Über sein eigenes Urteil hat Rubin Carter gesagt, dass es aus „Rassismus statt aus Vernunft“ zustande kam. Wenn er darüber sprach, lächelte er. Über seine Haftzeit sagte er, dass er sie überstanden hat, weil er sich nicht verbittern ließ: „Sonst hätte das System gegen mich gesiegt.“

Nach seiner Freilassung war Rubin jahrelang der Chef der kanadischen Organisation AIDWYC (http://www.aidwyc.org/), die sich weltweit für die Freilassung von zu Unrecht Verurteilten einsetzt. Nach Schätzungen sitzen Tausende Unschuldiger in den Gefängnissen der USA. Carters Freund Artis, der mit ihm verurteilt wurde, war auch bei Hurricane, als der am Sonntag seinen letzten Kampf in Toronto verlor.