Nach zwei Tagen verstummten die Schreie

LIBERIA Wohin die Ebola-Angst führt: Der Vater ist tot, Mutter und Tochter werden lebend eingemauert

BALLAJAH afp | Als Fatu Sherrif stirbt, ist sie allein. Eingesperrt in ihrem Haus, neben der Leiche ihrer Mutter, ohne Wasser, ohne Nahrung, ohne Hilfe. Das Dorf Ballajah in Liberia wirkt wie ausgestorben. Fast alle Bewohner sind aus Angst vor Ebola in die umliegenden Wälder geflohen. Ihre Habseligkeiten haben viele in der Eile zurückgelassen, die Türen ihrer Häuser stehen offen. Nur das Wimmern der zwölfjährigen Fatu durchbricht die Stille, bis auch sie verstummt.

Nur wenige der 500 Bewohner harren noch in Ballajah aus. Einer ist der Dorfälteste Momoh Wile, der Fatus Geschichte erzählt. Als Erster erkrankte Fatus Vater Abulah an Ebola. Die Dorfbewohner informierten die Gesundheitsbehörden. Doch als die ersten Helfer in dem Dorf rund 150 nordöstlich der Hauptstadt Monrovia ankamen, war der 51-jährige Abdulah bereits seit vier Tagen tot. Seine Frau und die zwölfjährige Fatu zeigten schon erste Symptome.

Die Behördenvertreter nahmen Abdulahs Leiche mit und rieten den Dorfbewohnern, „sich der Frau und ihrer Tochter nicht zu nähern“, wie Wile erzählt. Beide wurden in ihrem Haus eingesperrt, Fenster und Türen wurden verbarrikadiert. „Sie haben Tag und Nacht geschrien, und ihre Nachbarn angefleht, ihnen etwas zu Essen zu geben, aber alle hatten Angst“, berichtet der alte Mann mit den weißen Haaren und dem weißen Bart. Fatus Mutter starb am vergangenen Sonntag, die Hilferufe des Mädchens verstummten zwei Tage später.

Fatus älterer Bruder Bernie wurde negativ auf Ebola getestet. Trotzdem wurde er von den Dorfbewohnern verstoßen. Der 15-Jährige hat sich in ein verlassenes Haus zurückgezogen. Er sieht müde und abgemagert aus, trägt ein dreckiges T-Shirt und ausgetretene Sandalen. „Hier schlafe ich“, erzählt er weinend. „Hier bin ich den ganzen Tag. Niemand kommt zu mir. Obwohl man ihnen gesagt haben, dass ich kein Ebola habe.“ Sein Essen sucht er sich im Wald.

Die Nachbarn, die Fatu und Bernie alleingelassen haben, hausen inzwischen selbst im Wald, wie Wile berichtet. In den umliegenden Ortschaften wurden sie aus Angst vor Ansteckung abgewiesen. Der Dorfälteste selbst ist nur mit einigen wenigen Verwandten in Ballajah zurückgeblieben: „Man kann sagen, dass das Dorf von allen verlassen ist.“