EU und Ukraine feiern die neue Partnerschaft

ABKOMMEN Die Parlamente in Straßburg und Kiew segnen das Freihandelsabkommen ab. Doch vorher gibt es Zoff um die Geheimdiplomatie zwischen Moskau, Berlin und Brüssel. Zu viel Rücksicht, so die Kritik

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

Es sollte ein feierlicher Akt werden, ohne Zwietracht und Misstöne. Zur selben Zeit, um Punkt zwölf Uhr, wollten das europäische und das ukrainische Parlament das umstrittene Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine unterzeichnen. So kam es auch. Doch in Straßburg, wo das EU-Parlament tagte, gab es erst einmal Zoff.

Viele Abgeordnete protestierten lautstark dagegen, dass ein Kernstück des Abkommens, der Freihandel, bis Ende 2015 aufgeschoben wurde – auf Druck aus Berlin und Moskau. „Herr Putin hat seinen Fuß in die Tür gestellt“, sagte die Grünen-Vorsitzende Rebecca Harms. Es sei naiv zu glauben, dass das Freihandels-Abkommen 2016 wie versprochen ohne Änderungen in Kraft treten werde.

Kritik kam auch vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Elmar Brok (CDU). Russland habe seine Zusagen bisher nicht eingehalten, so Brok. Demgegenüber warnte der Chef der sozialdemokratischen Fraktion, Gianni Pitella, vor einem neuen Kalten Krieg in Europa. Gewalt und Sanktionen seien an die Stelle des Dialogs getreten, kritisierte der Italiener.

Die EU-Kommission hatte Mühe, den Ärger einzudämmen. Denn sie hatte in letzter Minute, am Freitagabend, in die Aussetzung des Freihandels eingewilligt – hinter verschlossenen Türen. Erweiterungskommissar Stefan Füle sagte, den Aufschub habe die Ukraine selbst beantragt, weil sie wegen des Konflikts in der Ostukraine mehr Zeit benötige, etwa um sich auf die neuen Zolltarife vorzubereiten.

Schon jetzt gehen laut EU 25 Prozent der ukrainischen Exporte in die EU; die Liberalisierung wäre vor allem für die Ukraine ein enormer Vorteil. Doch der größere Teil der Exporte geht immer noch nach Russland. Und das hatte mit Strafzöllen gedroht, wenn die EU und die Ukraine den Freihandel einführen. Hinter den Kulissen wurde Präsident Wladimir Putin dabei von Kanzlerin Angela Merkel unterstützt. Merkel setzte am Freitag beides durch: die neuen EU-Wirtschaftssanktionen gegen Moskau – und das Entgegenkommen beim Freihandel.

Dahinter steht die Hoffnung, dass es bis Ende dieses Monats zu einer Einigung zwischen Russland und der Ukraine kommen könnte. Dann könnten die neuen Sanktionen sogar abgeblasen werden, kündigte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy an. Merkel und EU-Kommissionschef José Manuel Barroso telefonierten extra mit Putin, um ihn auf versöhnlichen Kurs zu bringen. Derzeit weckt das Abkommen – das erst nach Zustimmung aller 28 EU-Staaten in Kraft tritt – Hoffnungen, die kaum zu erfüllen sind. „Heute wählen wir eine europäische Zukunft“, sagte Parlamentspräsident Alexander Turtschinow in Kiew. Ukraines Präsident Petro Poroschenko sprach sogar von einem „ersten Schritt“ seines Landes in die EU.