Vermisste Kinder: Eltern geben Hoffnung nicht auf

Am Tag der vermissten Kinder erinnern Eltern daran, was es heißt, ein Kind so zu verlieren. In Berlin zählt die Initiative 14 Kinder, die seit Jahren vermisst werden. Viele wurden von den Vätern entführt.

Die meisten Kinder kommen nach ein paar Tagen zu den Eltern zurück. Aber was, wenn nicht? "Man darf die Hoffnung nicht aufgeben", sagt eine betroffene Mutter. Bild: AP

Sonne, Eiscreme, Müßiggang, Gelassenheit - am Sonntag ist die Welt am Hackeschen Markt in Ordnung. Nur ein Stand, am Rande des Platzes, fällt aus der sommerlichen Idylle heraus. Die Initiative Vermisste Kinder macht dort auf das Schicksal der 1.653 Kinder und Jugendlichen aufmerksam, die nach Angaben der Initiative in Deutschland als "andauernd vermisst" gelten.

Der 25. Mai ist der "Tag der vermissten Kinder". Er wurde bereits in den 1980er-Jahren in den USA ins Leben gerufen. Seit 2002 wird er auch in Europa begangen. Einmal im Jahr machen die Eltern öffentlich, "was es bedeutet, wenn ein Kind einfach verschwindet und man nicht mehr weiß, was mit ihm geschieht", sagt eine betroffene Mutter, Verkäuferin von Beruf, die ihren Namen nicht nennt. Der "Tag der vermissten Kinder" sei ein Hoffnungstag. Denn die Hoffnung dürfe man nie aufgeben. "Tut man es, verliert man das Kind ein zweites Mal." Ihre Tochter Souira wurde vor sieben Jahren vom leiblichen Vater nach Algerien verschleppt. Mit Zähigkeit sei es ihr gelungen, nach vier Jahren wieder ein Lebenszeichen von ihrer Tochter, die in Algerien sehr traditionell erzogen wird, zu erhalten. Aber einem Kind, das weg ist, hinterherzuspüren, mache einsam. "Warum haben Sie auch einen Ausländer geheiratet?", sei sie immer gefragt worden. Diesen Sommer will sie ihre Tochter erstmals besuchen.

Den Eltern der 2006 in Moabit verschwundenen Georgine Krüger ist ein solches Glück nicht beschieden. Bis heute gibt es keine Spur der 14-Jährigen.

Auch Helen Sprecher muss weiter darauf hoffen, dass sie ihre Hannah und ihren Ibrahim je wieder sieht. Vermutlich sind sie in Ägypten. Vor sieben Jahren entführt. Zweieinhalb und fünf Jahre alt waren sie damals. "Man hält das nicht aus, wenn ein Kind verschwindet", sagt eine weitere Mutter. "Und dann hält man es doch aus. Wegen dem Kind." Sie will anonym bleiben. Ihr Sohn lebt wieder bei ihr, sagt sie.

Im letzten Jahr sind in Berlin 858 Kinder und 3.053 Jugendliche als vermisst gemeldet worden. Die meisten tauchen nach kurzer Zeit wieder auf. "Kinder laufen oft aus banalen Gründen weg", sagt eine Sprecherin der Polizei. Ärger mit den Eltern und schlechte Noten sind häufige Ursachen. Viele Vermisstenanzeigen für Kinder erübrigten sich auch, wenn die Eltern klarere Absprachen mit den Kindern träfen. Auch "Wochenendtreber" sind der Polizei gut bekannt.

Die Initiative Vermisste Kinder, die 1997 gegründet wurde, ist ein Zusammenschluss vor allem von betroffenen Eltern solcher Kinder, die über Jahre vermisst bleiben. Auf der Homepage der Initiative sind für Berlin 14 Kinder aufgeführt. Anders als bei den Suchlisten der Polizei finden sich hier auch jene Kinder wie Souira, Hannah und Ibrahim, die von einem Elternteil in ein anderes Land entführt wurden und von denen der Aufenthaltsort oft bekannt ist.

Meistens sind es die ausländischen Väter, die ihre Kinder entführen. Bei Al Nadi, dem Treffpunkt für arabische Frauen, der zum Nachbarschaftsheim Schöneberg gehört, suchen viele der betroffenen Mütter Hilfe. Darunter auch deutsche Frauen wie Helen Sprecher oder die Verkäuferin. "Wir unterstützen sie bei ihrem schwierigen Kampf um das Sorgerecht", sagt Lina Ganama von Al Nadi. "Auf diplomatischer Ebene müsste viel mehr getan werden", fordert sie.

Aus Solidarität ist Ganama zum Stand auf den Hackeschen Markt gekommen. "Man muss Zeichen setzen", sagt sie, als sie einen Luftballon fliegen lässt, an dem das Bild eines vermissten Kindes hängt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.