geschichtskommerz
: Kopfloser Umgang mit Hitler

So kann es kommen, wenn man privaten Unterhaltungskonzernen die Repräsentation von Geschichte überlässt: Da sitzt also unweit des Brandenburger Tores plötzlich ein düster dreinblickender Hitler aus Wachs in einem Pseudobunker. Die Veranstalter interpretieren seinen Gesichtsausdruck gar so, als wisse er, dass er gescheitert sei. Auf so ein Abbild von Hitler hat Berlin gerade gewartet. Endlich darf sich Mitgefühl beim Anblick des Tyrannen regen. Scheitern – das kennt man.

KOMMENTAR VON WALTRAUD SCHWAB

Sicher, der Krieg ist lange zu Ende, und die Geschichte des Faschismus verdichtet sich immer mehr zu Schlagwörtern. Auch die Medien tragen dazu bei, dass komplexe Zusammenhänge verkürzt werden. Man will es einfach, man will es bunt, man will es in leicht verdaulichen Happen. So kommt es, dass auch die deutsche Geschichte immer disneylandtauglicher werden soll.

Vor gar nicht langer Zeit hatte Alexandra Hildebrandt, die Chefin des Mauermuseums, am Checkpoint Charlie schwarze Kreuze aufstellen lassen, um an die Mauertoten zu erinnern. Ein Aufschrei! So einfach sei die Geschichte der Mauer nicht zu emotionalisieren, hieß es damals. Nach langem Streit räumte der Senat die Kreuze vom Feld und ersetzte sie durch fundiertere Informationen. Diese sprechen mehr den Verstand an und weniger das Gefühl. Nur: Verstand verkauft sich nicht.

Dass der Hitler aus Wachs bisher nur einen Besucher hatte, der ihm auch prompt den Kopf abschlug, soll deutlich machen: Auch kommerzielle Geschichtsrepräsentation muss in sich stimmig sein. Bei Hildebrandt hat die Politik interveniert, bei Madame Tussauds wähnt man sich machtlos. „Erlaubt, aber geschmacklos“, wie nun von vielen zu hören ist, reicht als Intervention aber nicht aus.