Toter ohne Namen

Ein Vietnamese wird in Marzahn auf offener Straße erstochen. Das Motiv ist unklar

Vor einem Supermarkt in Marzahn ist am Mittwochmorgen ein Vietnamese mit dem Messer erstochen worden. Der bisher nicht identifizierte Mann starb wenig später trotz Notoperation im Unfallkrankenhaus Marzahn. Als Tatverdächtiger ermittelte die Polizei einen 35-jährigen Deutschen; er wurde kurz darauf festgenommen. Der Getötete hatte offenbar auf dem Platz vor dem Supermarkt in der Marchwitzastraße mit unversteuerten Zigaretten gehandelt.

Polizeisprecher Guido Busch sieht aber weder Anhaltspunkte für einen rechtsradikalen Hintergrund noch für eine Tat im Zusammenhang mit der Zigarettenmafia. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand dürfte es sich laut Busch eher um einem Fall von Selbstjustiz eines psychisch labilen Mannes handeln. So hatte sich der Verdächtige kurz vor der Tat telefonisch bei der Polizei gemeldet und mitgeteilt, dass er einen vietnamesischen Zigarettenhändler festhalte. Die Polizei solle kommen und ihn festnehmen, weil dieser unversteuerte Zigaretten verkaufe.

Als die Beamten wenige Minuten später vor dem Supermarkt eintrafen, lag der Vietnamese bereits verletzt auf dem Boden. Der Anrufer war geflüchtet, konnte aber mithilfe von Zeugenhinweisen in seiner Wohnung festgenommen werden. Der Vietnamese wurde noch am Tatort von einem Notarzt reanimiert und von der Feuerwehr in eine Klinik gebracht.

Die Identifizierung des Toten könnte indes schwierig werden. Viele illegale Zigarettenhändler sehen Deutschland lediglich als Transitland an. Ihr eigentliches Ziel ist Großbritannien. Deshalb beantragen immer mehr Vietnamesen gar nicht Asyl in Deutschland, sondern verdienen sich mit dem Zigarettenverkauf lediglich ein paar Monate lang Geld für die Weiterreise nach Großbritannien. Bei deutschen Behörden sind sie somit in aller Regel nicht registriert. MARINA MAI