Nazis schenken Hindus Freunde

Die NPD demonstriert gegen Hindu-Tempel. Das treibt nicht nur 600 Gegendemonstranten auf die Straße. Dank der Neonazis kann sich nun auch die Hindu-Gemeinde über viele neue Freunde freuen

VON MARTIN KAUL

Der Polizist am Eck sieht gelangweilt aus. „Objektschutz? Was für ein Objekt? Wir betreiben hier Unkrautschutz!“ Er zeigt auf das Brachland hinter sich. „Das ist heute der langweiligste aller Posten. Hier passiert gar nichts.“ Und auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte er recht: An dieser Ecke, hinter den maroden Mauern, liegt ein Stück Brachland, weswegen an diesem Samstag etwa 1.500 Menschen in Neukölln auf den Straßen sind.

Auf der Brachfläche an der Blaschkoallee soll demnächst ein kleiner Tempel entstehen. 150 Neonazis sind zur Demo „Gegen mehr Hindu-Tempel in Berlin“ gekommen, 600 BerlinerInnen demonstrieren dagegen, 800 Polizisten sind im Einsatz. Die NPD demonstriert ein paar Kilometer weiter, skandiert die alten Sprüche und liefert sich Scharmützel mit der Polizei. Am Ende des Tages werden alle berichten: Dort brennen ein Auto und eine Mülltonne, dort werden acht Menschen festgenommen, darunter auch eine polizeilich gesuchte Neonazi-Größe. Auch der Polizeibeamte an dem Brachland in der Blaschkoallee wäre jetzt gern „dort, wo was los ist“. Doch eigentlich steht er hier genau richtig. Denn manchmal passiert das Wichtige abseits vom Getöse.

Hinter der Mauer auf dem Brachland steht Nadarajah Thiagarajh an einem kleinen Tisch. Er blättert in einem Bauplan: Ein paar Stempel sind darauf zu sehen und ein formschönes Haus. Thiagarajh ist der Sprecher der 200 Mitglieder zählenden hinduistischen Gemeinde „Berlin Hindu Mahasabhai“, die hier demnächst bauen will. Er und seine Gemeinde beteiligen sich nicht an den Demonstrationen. „Wir machen keine Politik“, sagt Thiagarajh, „wir wollen sauber und in Frieden bleiben.“ Vorhin ist kurz die Anti-Nazi-Demo vorbeigezogen, da haben ein paar Gemeindemitglieder gewunken. Seitdem ist es still an diesem Ort, der so wenig nach Ereignis aussieht.

Dabei hat Thiagarajh heute alle Hände voll zu tun: Er kümmert sich um den Besuch, der heute nicht gekommen wäre, hätte die NPD nicht zur Demo gerufen. Selbst Vertreter der Neuköllner CDU und Jungen Union kommen – neben zahlreichen Bezirkspolitikern – zum Bauplatz. Mit Geschenkkorb, Traubensaft und Graubrot. Der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening schaut kurz vorbei. Und der Migrationsbeauftragte von Neukölln, Arnold Mengelkoch, bleibt gleich den ganzen Tag. „Es ist wichtig, dass wir endlich in Kontakt miteinander kommen“, sagt Mengelkoch. Und er gibt zu: „Die NPD-Demo hat uns aus unseren gewohnten Bahnen geworfen. Sonst hätte ich sicherlich erst auf eine offizielle Einladung der Gemeinde gewartet.“

Auch Silke Schäfer steht auf der Brache. Sie ist Schatzmeisterin des multikulturellen Nachbarschaftsgartens Neukölln – und findet es gut, dass sie durch den Nazi-Aufmarsch in Kontakt mit der Hindu-Gemeinde gekommen ist: “Je lauter der Gegner schreit, desto mehr Werbung hat der andere“, sagt sie. Anders als der Polizist sieht Schäfer auf dem Brachland kein Unkraut: Eine Malve hat sie schon gefunden. Und Engelstrompeten. Gemeinsam mit ein paar Gemeindemitgliedern hat sie sie ausgegraben. „Die bekommen jetzt einen Ehrenplatz in unserem Garten“, sagt sie. Das hört sich erst einmal ziemlich ereignislos an. Oder auch mal nach der Nachricht des Tages.