Debatte über Denkmal für Vergewaltigte: Das Mahnmal

Die CDU will ein Vergewaltigungs-Denkmal. Entdeckt die Partei nun den Kampf gegen sexuelle Gewalt - oder will sie Deutsche als Opfer im Zweiten Weltkrieg darstellen?

Eine graue Stele. Zu beiden Seiten Oleanderbäumchen, die traurig die Blätter hängen lassen. "Unschuldige Kinder und Mütter - Frauen und Mädchen. Ihre Leiden in den Wirren des Zweiten Weltkrieges sollen unvergessen bleiben - um zukünftiges Leid zu verhindern", mahnt die Inschrift, in Stein gemeißelt. Der Volksbund der Deutschen Kriegsgräberfürsorge hat den Gedenkstein im November 2001 auf dem Friedhof Lilienthalstraße in Neukölln aufstellen lassen. Vielleicht gibt es bald ein Denkmal in der Stadt, das aus einem ähnlichen Grund errichtet werden soll.

Die CDU fordert, dass der Senat ein Konzept für ein "Denkmal für die ab Frühjahr 1945 in Berlin geschändeten Frauen" vorlegt. Der Antrag gründet auf der Aussage, zum Ende des Zweiten Weltkriegs seien in Berlin durch "Besatzungssoldaten", vor allem die sowjetischen, massenhaft Frauen vergewaltigt worden. Diese hätten nie über das Vorgefallene sprechen können und dürfen, weil das Thema gesellschaftlich tabuisiert gewesen sei. Deshalb solle jetzt mit einem Denkmal an ihr Schicksal erinnert werden, wie Michael Braun, der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, erläuterte. Viele Frauen würden auch heute noch unter den Vergewaltigungen leiden. Die Frauen, die jetzt im pflegebedürftigen Alter seien, würden sich in Pflegeheimen häufig nicht anfassen lassen, weil sich immer noch traumatisiert seien. Ihrer, die jahrzehntelang leiden und schweigen mussten, wolle die CDU gedenken.

In der Plenardebatte über den Antrag fehlte es nicht an harscher Kritik. Die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Brigitte Lange, kritisierte die Aussage, russische Soldaten hätten besonders viel vergewaltigt, und die völlige Ausblendung der Tatsache, dass deutsche Soldaten dies ebenfalls getan hatten. Lange erklärte weiter, dass die SPD den Antrag ablehne, weil die CDU Opfer von Vergewaltigungen nur instrumentalisiere, um "ihrer eigenen Geschichtsdeutung ein Denkmal zu setzen". Auch Regina Mühlhäuser, Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Geschlecht und Krieg am Hamburger Institut für Sozialforschung, stellt fest, dass es der Berliner CDU nicht um die individuellen Opfer, sondern um die Interpretation der Vergangenheit gehe. "Die CDU setzt sich nicht mit dem Leid der Frauen auseinander, sondern nutzt ihr Schicksal, um Deutschland als Opfer zu inszenieren."

Auch die restlichen Fraktionen verurteilten den Antrag als geschichtsrelativierend: Der zeitliche Rahmen ab Frühjahr 1945 und die regionale Einschränkung auf Berlin seien viel zu eng. Dadurch entstehe eine einseitige Fokussierung auf deutsches Leid. Darüber hinaus vergreife der Antrag sich in der Wortwahl. Der Begriff der Schändung schreibe den Frauen die Schande an der Tat zu, nicht den Tätern, die sie begangen hätten, argumentierte Alice Ströver von den Grünen. In der Tat legt der Begriff die Vermutung nahe, dass es bei dem Denkmal um etwas ganz anderes gehen soll als um die von Frauen erlittene Gewalt. Hier zeigt sich eher die Vorstellung, dass die Ehre des deutschen Mannes verletzt wurde, weil er nicht in der Lage war, seinen Besitzstand, den Körper der Frau, vor dem Übergriff zu schützen und seinen Wert zu wahren. Der Frau bleibt in dieser Logik nur übrig, Scham und Schuld für das Erlebte zu ertragen. Statt ihnen ein Denkmal zu setzen, wäre es richtiger, den vergewaltigten Frauen Beratungs- und Therapiemöglichkeiten anzubieten, meint Iris Hölling, die Geschäftsführerin von Wildwasser e. V., einer Arbeitsgemeinschaft gegen sexuellen Missbrauch von Frauen und Mädchen.

Doch es gibt auch Stimmen, die sich positiv auf die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema beziehen: Elfriede Müller, die Leiterin des Büros für Kunst im öffentlichen Raum, schätzt, dass eine künstlerische Form für solch ein Thema in seinem historischen Kontext durchaus möglich ist: "Eine konzeptionelle Arbeit wäre bestimmt geeignet." Der einzige wirkliche Nutzen, den das Denkmal für die vergewaltigten Frauen haben könnte, wäre allerdings eine öffentliche Diskussion, die durch das Denkmal angestoßen würde, so Müller. Auch Carola Klein, Mitarbeiterin von Lara, einem Beratungszentrum für vergewaltigte Frauen, meint: "Eine Beschränkung auf allein deutsche Frauen ab 1945 ist zu einseitig, aber es ist wichtig, das Thema Vergewaltigung im Kriegskontext sichtbar zu machen, um der gesellschaftlichen Tabuisierung entgegenzuwirken."

Wie nötig zudem auch heute noch eine Debatte über die gesellschaftlichen Ursachen von Vergewaltigungen ist, zeigt sich daran, dass selbst die Grünen-Politikerin Alice Ströver noch behauptet, "Vergewaltigung gibt es in allen Gesellschaftsformen und wird es immer geben".

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