„Ein Verbot ist ein Schritt im Kampf gegen rechts“

NPD Die Länder wollen die rechtsextreme Partei verbieten lassen. Ist das nötig und sinnvoll? Was würde ein erfolgreiches Verbot für Berlin bedeuten? Und was muss die Politik darüber hinaus tun? Die taz hat acht Experten gefragt

„Berlins NPD belegt: Der Antrag ist gerechtfertigt“

„Ich begrüße, dass den vielen Worten Taten folgen, und hoffe, dass die Hindernisse, die zum Scheitern des ersten Versuches führten, inzwischen beseitigt wurden. Insbesondere die Berliner NPD gibt sich redlich Mühe, einen Verbotsantrag zu rechtfertigen. Die Erkenntnis, dass die Praxis der V-Leute eher hinderlich als förderlich ist, könnte schon ein erster Erfolg der aktuellen Verbotsdebatte sein. Dass sich das Problem des Rechtsextremismus mit einem Verbot nicht lösen lässt, ist zwar richtig, aber man geht ja auch gegen Kriminalität vor, obwohl dies allein nicht die zugrunde liegenden sozialen Ursachen bekämpft.“

Bianca Klose, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin

„Rechtsextremismus ist nicht nur ein Jugendproblem“

„NPD-Verbot hin oder her – wir müssen an die Zeit nach einem solchen Verfahren denken. Rechtsextreme Gedanken sind auch nach einem Verbot der NPD nicht aus den Köpfen zahlreicher Menschen. Wir würden uns im Bezirk zwar freuen dürfen, keine NPD-Zentrale mehr beherbergen zu müssen. Doch auch wenn die Anhänger bei uns wegziehen würden: Von der Demokratie wären sie noch nicht überzeugt. Deshalb muss viel stärker Wert darauf gelegt werden, mit Bildungsarbeit die Demokratie zu stärken – für alle Altersgruppen. Rechtsextremismus ist nicht allein ein Jugendproblem.“

Oliver Igel (SPD), Bürgermeister von Treptow-Köpenick. Dort sitzt die NPD mit zwei Abgeordneten im Bezirksparlament

„Die V-Leute bleiben ein Risiko“

„Ob das Verbotsverfahren Erfolg hat, hängt vom Material gegen die NPD ab. Ich gehe davon aus, dass dieses belastbar ist. Aber es gibt drei Risikofaktoren. Zum einen die V-Leute: Zwar heißt es, dass sich aus diesen Quellen, anders als 2003, nichts im Verbotsmaterial findet. Aber was heißt das schon, wenn ich an die zurückgetretenen Verfassungsschutzleiter denke, die nicht wussten, was in ihrem Haus passierte?

Zum anderen braucht es eine qualifizierte Mehrheit der Richter am Bundesverfassungsgericht – bei diesen ausgeprägten Charakteren keine Leichtigkeit. Und drittens könnte am Ende der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Verbot kippen, weil der eine Gefährdung der Staatlichkeit voraussetzt. Was bei den wenigen Prozenten, die die NPD bei Wahlen einfährt, auch nicht zu sehen ist. Letztlich stellt sich noch eine ganz andere Frage: Kann unsere Demokratie nicht solch eine Partei aushalten können? Ich denke, sie kann.“

Ulrich Battis, emeritierter Rechtsprofessor der HU Berlin

„Kontinuierlich gegen rechte Gewalt vorgehen“

„Die Hürden für ein Parteienverbot sind hoch. Die Innenminister müssen sicherstellen, dass das NPD-Verbotsverfahren Erfolg hat und die gerichtlichen Anforderungen erfüllt werden. Ein abermaliges Scheitern wäre ein fatales Zeichen für die Demokratie und würde die NPD stärken.

Innensenator Frank Henkel (CDU) steht darüber hinaus in der Verantwortung, die Fakten über den NSU-Sumpf in Berlin aufzuklären: von der V-Mann-Affäre bis zum Aktenschredder-Skandal. Ein NPD-Verbot ist kein Allheilmittel. Nur eine sich einmischende Zivilgesellschaft kann den Kampf gegen rechts gewinnen. Daher muss sich Berlin für die Stärkung zivilgesellschaftlicher Projekte einsetzen, die kontinuierlich gegen die von rechts ausgehende Bedrohung ankämpfen.“

Clara Herrmann, Grünen-Abgeordnete

„Wir brauchen ein Anti-Nazi-Klima“

„Ein NPD-Verbot kann nur ein Schritt im Kampf gegen rechtes Gedankengut und Rechtsextremismus sein. Zwar ist man sich immer schnell einig, rechte Straftaten zu verurteilen. Aber das Grundproblem bleibt. Strafverfolgungsbehörden und Justiz müssen nicht nur in Berlin ein Klima schaffen, das Nazis und Faschisten klarmacht, dass es für ihre Ansichten keinen Platz in dieser Gesellschaft gibt.“

Christopher Lauer, Piraten-Abgeordneter

„15 Prozent der Menschen teilen rechtsextreme Positionen“

„Es wäre ein wichtiges Zeichen, wenn es auf rechtsstaatlichem Weg gelingt, die Ausbreitung von rechtsextremistischem Gedankengut zu verhindern. Aber: Rund 15 Prozent der Menschen unserer Region teilen rechtsextreme Positionen. Der Kampf wäre mit einem Verbot nicht erledigt. Deshalb engagieren wir uns als Kirche weiter gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit.“

Markus Dröge, Berlins evangelischer Bischof

„Bekämpfen, trockenlegen, verbieten“

„Verbote verhindern keine Nazis. Trotzdem gehört dieser braune Sumpf mit allen Mitteln trockengelegt. Bekämpfen, zerschlagen und ja, von mir aus, verbieten.“

Lars Laumeyer, Antifaschistische Linke Berlin

„Menschenverachtende Positionen“

„Ich begrüße das Votum für einen NPD-Verbotsantrag ausdrücklich. Es ist ein gutes Signal, dass die Bundesländer geschlossen einen neuen Anlauf zum Verbot dieser Partei starten, die für menschenverachtende und grundgesetzwidrige Positionen steht. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich der Haltung der Länder anzuschließen.“

Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister (SPD)

PROTOKOLLE: KONRAD LITSCHKO