Kein Geld mehr für NPD-Beobachter?

RECHTSEXTREME Gefährdet: ein Projekt, das Bezirksverordnete im Umgang mit Rechten berät

Setzt das Land Maßnahmen gegen Rechtsextremismus aufs Spiel? Das Projekt „Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten in den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV)“ des Vereins Demokratische Kultur weiß noch nicht, ob es in diesem Jahr weiterarbeiten kann. Die Mitarbeiter schulen Bezirksverordnete im Umgang mit Rechtsextremismus – namentlich den NPD-Vertretern in den Bezirksparlamenten – und organisieren den Austausch zwischen den Bezirken. Bis 2012 finanzierte Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) das Kleinprojekt mit 74.000 Euro jährlich, davon wurden zwei halbe Stellen bezahlt. „Uns wurde mündlich in Aussicht gestellt, dass es 2013 möglicherweise noch eine halbe Stelle für unsere Arbeit geben könnte“, sagt Mathias Wörsching vom Projekt. Schriftliche Bescheide fehlen.

Ein Sprecher der Integrationssenatorin will „nicht von einer Streichung von Mitteln, sondern von einer anderen Schwerpunktsetzung sprechen“. Konkret: „Wir werden das Projekt weiter finanzieren, aber nicht im bisherigen Umfang.“ Es soll in die Mobile Beratung gegen Rechts (MBR) überführt werden. Ob diese dann mehr Geld bekommt, stehe aber noch nicht fest.

Weniger Provokationen

Die NPD sitzt mit je zwei Verordneten in den Bezirksparlamenten von Treptow-Köpenick, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf. Anders als in der letzten Legislaturperiode erreicht sie nirgendwo Fraktionsstärke. Ihr stehen damit keine Räume, keine Fraktionsgelder und keine Mitarbeiter mehr zu. „Das ist schon ein großer Vorteil“, sagt Hans Erxleben von den Linken in Treptow-Köpenick. Der ehemalige NPD-Bundeschef Udo Voigt, in Treptow-Köpenick Bezirksverordneter, halte sich zudem mit Provokationen zurück. „Das könnte mit der Bewährungsstrafe zusammenhängen, die er auch wegen Äußerungen in der BVV bekommen hat“, so Erxleben.

Inhaltlich haben die NPD-Verordneten ein neues Thema entdeckt: Sie interessieren sich sowohl in Treptow-Köpenick als auch in Lichtenberg für Flüchtlingsunterkünfte und die Einwanderung von Roma. „Wir vermuten, dass sie damit auch in Zukunft verstärkt rassistische Stimmungen aufgreifen“, sagt Mathias Wörsching vom Projekt, das die NPD-Verordneten beobachtet. In Treptow-Köpenick fragten die NPDler etwa die Standorte von Asylbewerberheimen ab, in Lichtenberg forderten sie, ein Roma-Konzept öffentlich und nicht vertraulich zu diskutieren. „Der Antrag wurde haarscharf an der Grenze der Strafbarkeit formuliert“, sagt der grüne Bezirksverordnete Bartosz Lotarewicz. „Vermutlich haben sie sich einen Anwalt genommen.“ Darin heißt es etwa, Roma seien unter „einem populären Namen noch zu keinen Zeiten in der angestammten deutschen Bevölkerung beliebt“ gewesen. Die Vertraulichkeit lasse vermuten, „dass hier am Willen der deutschen Bürger vorbei (…) verschwiegen und vertuscht werden soll.“

In Marzahn-Hellersdorf hingegen sitzen die NPD-Verordneten nach den Worten des SPDlers André Gaedecke in dieser Legislaturperiode lediglich ihre Zeit ab. „Ich erinnere mich an keinen einzigen Antrag und keine große Anfrage. Das war in der alten Legislaturperiode anders.“

Rechte Fanclubs

In allen drei Bezirken werden die NPD-Verordneten von Fanclubs unterstützt. Sie seien zwar kleiner geworden, das mache sie nicht minder gefährlich. Lotarewicz: „Ich bin bekennender Schwuler und wurde aus dem Fanblock heraus schon offen schwulenfeindlich angemacht.“

In allen drei Bezirken hält die Strategie der demokratischen Parteien, NPD-Anträge prinzipiell abzulehnen. Entwickelt wurde sie zusammen mit dem Projekt. „Als ehrenamtliche Bezirkspolitiker ist die Unterstützung durch das Projekt für uns wichtig“, sagt der Linke Erxleben.

Entbehrlich ist es nur in Neukölln, wo die NPD bei den letzten Wahlen aus der BVV flog. „Es ist gut, bei ernsthaften Debatten nicht mehr fürchten zu müssen, dass sich einer der NPDler mit plumpestem Rassismus zu Wort meldet“, sagt der dortige Grüne Jochen Biedermann. MARINA MAI