Verfassungsschutz zum Anfassen

OFFENSIVE Bernd Palenda will aus dem NSU-Skandal und anderen Pannen lernen. Berlins neuer Verfassungsschutzchef hatte als Juso selbst einmal Probleme mit Rechten

„Na, kriegste eins auf die Mütze oder gehen sie an dir vorbei?“

BERND PALENDA, CHEF DES BERLINER VERFASSUNGSSCHUTZES

VON KONRAD LITSCHKO
UND ALKE WIERTH

Berlins neuer Verfassungsschutzchef Bernd Palenda glaubt nicht an Datensicherheit im Internet. „Es gibt keine sichere Kommunikation“, sagte er der taz im Interview: „Wer das glaubte, ist ein Narr.“ Der Whistleblower Edward Snowden habe mit den NSA-Aufdeckungen „im Grunde nicht viel verraten“, so Palenda.

Ende August war Palenda zum neuen Chef ernannt worden. Der 52-Jährige begann 1990 beim Berliner Verfassungsschutz, wechselte von 1993 bis 2006 zum Brandenburger Dienst und kehrte dann in die Hauptstadt zurück.

Skrupel, Informationen der NSA zu verwenden, habe er aber auch künftig nicht, sagte Palenda. Möglichen Hinweisen des US-amerikanische Auslandsgeheimdienstes werde der Berliner Verfassungsschutz auch weiterhin nachgehen. Seine Informationen erhielte er ja nicht direkt von ausländischen Diensten, sondern von einer Bundesbehörde. „Dem gehen wir nach und das müssen wir auch“, so Berlins oberster Verfassungsschützer.

Für den Berliner Dienst kündigte Palenda Reformen an. Er wolle einen „Umgestaltungsprozess“ einleiten, „bei dem es darum geht, das Vertrauen der Bürger in den Verfassungsschutz zurückzugewinnen“. Die Behörde soll offener werden: „Ich will zu den Leuten gehen und um Vertrauen werben: Guck mal, ich bin zum Anfassen“, so Palenda. In Schulen oder muslimischen Verbänden wolle er den Dialog suchen. „In toto“ werde sich der Dienst aber nicht wandeln, so der Verfassungsschutzchef: „Bei aller Reform wird es am Ende nach wie vor noch einen Nachrichtendienst geben.“

Auch auf den Einsatz von V-Leuten, deren Sinn vor allem nach den Ermittlungsdesastern um die rechtsextreme Terrorgruppe NSU infrage gestellt worden war, will Palenda deshalb künftig nicht verzichten. Dazu gebe es „keine Alternativen“.

Auf die Bedrohungen durch den Rechtsextremismus will Palenda künftig einen Schwerpunkt legen. Die Bürgerinitiative gegen ein Flüchtlingsheim in Hellersdorf nennt er ein „definitiv rechtsextremistisches, demagogisches Projekt“, bei dem es keinen gebe, der „als Bürger sein Gesicht zeigt“.

Als junger Mann habe er selbst in Neukölln mit den Jusos Flugblätter verteilt, erzählt Palenda, der als 17-Jähriger der SPD beitrat: „Und als man da die ersten Rechten gesehen hat, hielt man die Zettel fest und dachte: Na, kriegste eins auf die Mütze oder gehen sie an dir vorbei?“

Als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes habe er seine aktive Parteiarbeit aber gemäßigt, so Palenda, der von CDU-Innensenator Frank Henkel in den Chefposten gebracht wurde.

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