Die Fassade der Partei bröckelt

NPD-CHEF VERURTEILT

Die NPD lebt von der Provokation

Zwei Jahre ist es her, da verpasste sich die NPD einen neuen Kurs: „seriöse Radikalität“. Moderateres Auftreten nach außen, in der Sache weiter hart. Und es gab kaum einen Vertreter der Neonazipartei, der das besser verkörperte als ihr Berliner Landeschef Sebastian Schmidtke.

Der 28-Jährige kommt aus dem Kameradschaftsmilieu, dem ganz strammen. Die NPD gilt dort vielen als zu lasch. Es wird mit Gewalt kokettiert, NS-Größen gehuldigt. Schmidtke selbst hetzte auf Demos gegen „Asylanten“, rief den „nationalen Angriff“ aus. Sechsfach ist er vorbestraft: Mal hortete er Hakenkreuzbuttons, mal schlug er einen Polizisten. Jüngst musste er 900 Euro zahlen, weil er mit einem Regenschirm auf einen Gegendemonstranten eingeprügelt hatte. Schmidtke, der Radikale.

Er kann auch anders. Seit seinem Antritt als NPD-Landeschef vor anderthalb Jahren gibt er den Biedermann, beantwortet freundlich Journalistenfragen, distanziert sich pflichtbewusst von rechten Anschlägen. Das sei nicht der Weg der NPD. Schmidtke, der Seriöse.

Seit Mittwoch ist diese Rolle dahin. Da verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten, weil er in seinem Outdoorladen unterm Tresen verbotenen Rechtsrock verkauft hatte. Musik, in der besungen wird, wie Juden, Schwule oder Schwarze „verkrüppelt“ oder „aufgehängt“ werden. Acht Monate Haft, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung. Seriös war mal.

Es war ohnehin nur Fassade in einer Partei, in der jeder vierte Vorstand einschlägig vorbestraft ist. Und es ist ein Grund, warum in dieser Woche ein neuer Versuch gestartet wurde, die NPD zu verbieten.

Ihr Berliner Chef darf sich nun drei Jahre nichts zuschulden kommen lassen, sonst wandert er in den Knast. Eine fast unmögliche Aufgabe. Zum einen steht Schmidtke im Verdacht, im Internet eine Feindesliste der Szene mitbetrieben und indizierte „Schulhof-CDs“ der NPD verteilt zu haben. Die Ermittlungen laufen. Zum anderen will sich die Partei rechts der AfD profilieren und den Bund mit den radikalen Kameradschaftlern halten. Dazu braucht es den Kampfkurs und die steten Provokationen.

Hat das Urteil Bestand, könnte Sebastian Schmidtke bald einem neuen „Seriösen“ den Vorsitz überlassen. Das würde freilich wenig ändern. Unterm Ladentisch der NPD bleibt der offene Hass. KONRAD LITSCHKO