Kolat auf Pippi-Langstrumpf-Kurs

ORANIENPLATZ II Die Senatorin redet die Räumung schön, die weit weniger friedlich und einvernehmlich abläuft, als es die SPD-Frau darstellen mag. Das wiederum schiebt Kolat den Unterstützern in die Schuhe

Die dunkelhaarige Frau vor den Journalisten sieht so aus wie Dilek Kolat, die Integrationssenatorin von der SPD. Aber was sie da im Presseraum des Roten Rathauses sagt, klingt so, wie ihre Parteifreundin Andrea Nahles im Bundestag Pippi Langstrumpf imitierte: „Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt.“ Euphorisch spricht Kolat von der Räumung des Oranienplatzes, sieht bei den Flüchtlingen „eine großartige Leistung“, während zugleich noch Dutzende von ihnen auf dem Platz stehen, Unterstützer anrücken und wenige Stunden später die Polizei den Platz räumt.

Sie komme gerade vom Oranienplatz, sagt Kolat um kurz nach eins den Journalisten im Rathaus und drängt darauf, schnell wieder zurückkehren zu können. Ihre Botschaft: Von 37 Zelten oder Hütten stünden „nur noch 6 oder 7“, die Flüchtlinge hätten damit die drei Wochen alte Vereinbarung mit dem Senat erfüllt. Wenn es nun noch Zoff gebe, liege das an Autonomen. „Lasst die Flüchtlinge in Ruhe“, laute ihr Appell an sie. „Das einzige Risiko ist das, was von den Aktivisten ausgeht.“

Tatsächlich aber stehen eine knappe Stunde nach diesen Worten noch mindestens 10 Hütten oder Zelte, auch wenn die schon leer sein sollen. Und dafür, dass schon viele Flüchtlinge gleich nach Zelt- oder Hüttenabbau zur neuen Unterkunft gebracht worden sein sollen, sind noch viele dunkelhäutige Menschen auf dem Platz zu sehen. Und nicht nur Autonome oder Unterstützer, sondern auch eine Flüchtlingsgruppe blockieren den Rest-Abbau.

Die Journalisten im Presseraum kontern Kolats Darstellung mit eigenen Beobachtungen. Eine Kollegin hält ihr vor, Probleme nicht sehen zu wollen, durch alle zehn Finger zu schauen. Kolat mag das nicht nachvollziehen. Ein anderer berichtet von Problemen bei Abtransport und Aufnahme – Kolat: „Das muss ein Missverständnis gewesen sein.“ Gewalt unter den Flüchtlingen beim Abbau? „Ein, zwei Mal“ sei es dazu gekommen, „von bedrohlichen Zuständen ist mir nichts bekannt.“ Und sie habe immer gesagt, dass ein kleiner Teil nicht mitziehen wolle.

Kolat kann auch nicht wirklich erklären, wie sie sichergestellt haben will, dass nur echte Bewohner des Oranienplatzes per Bus in ihre neue Unterkunft kommen. Denn Registrierung und Abgleich mit einer Namensliste sollen erst dort erfolgen. Am Nachmittag wird Sozialsenator Mario Czaja (CDU) von fast dreimal mehr unterzubringenden Flüchtlingen wie angekündigt berichten, von einem ungeordneten Verfahren reden und der Senatskollegin fehlenden Überblick vorwerfen. STEFAN ALBERTI