Außen vor

STADTRAND Das hippe Berlin liegt in der Innenstadt. Die meisten Berliner leben in der Außenstadt. Die Frage einer neuen Urbanisierung dort klärt sich an den Ausfallstraßen wie der Landsberger Allee

VON UWE RADA

Irgendwann einmal hat sich der Bezirk beschwert. In Marzahn-Hellersdorf würden zu viele Problemfilme gedreht, klagte Bürgermeister Uwe Klett (PDS). Das war vor mehr als zehn Jahren. Geändert hat sich seitdem nichts. Die Außenstadt ist die Kulisse für Sozialdramen und die Einsamkeit der Großstadt, in der Innenstadt wird der urbane Lifestyle der Erfolgreichen in Szene gesetzt. Zwei Welten, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Die einen drinnen, die anderen draußen.

Das ist erstaunlich, weil die Außenstadt – zumindest statistisch – mehr Berlin beinhaltet als die Innenstadt. Zwei Drittel der 3,5 Millionen Berliner leben außerhalb des S-Bahn-Rings. Ihre urbane Welt sind die Großsiedlungen in Marzahn und in der Gropiusstadt, die Vorstädte von Lichtenrade und Reinickendorf, der Einfamilienhausteppich von Rudow und Kaulsdorf. Nur ein Drittel der Hauptstädter lebt innerhalb des S-Bahn-Rings – in den angesagten Szenebezirken wie Kreuzberg oder Schöneberg.

Lange missachtet

Ein Missverhältnis, das von der Stadtplanung und der Politik noch verstärkt wurde. „Das Leitbild bei den meisten Stadtplanern ist die kompakte, gemischt genutzte Stadt der kurzen Wege“, hat die Stadtplanerin Cordelia Polinna beobachtet. „Das ist in der Außenstadt eher selten. Das sind Siedlungsformen, die heute nicht mehr gewollt sind, weil sie nicht als nachhaltig gelten.“ Auch bei der Ausbildung von Architekten und Planern an den Hochschulen galt der Stadtrand lange als Exotenthema. Und dennoch, meint Polinna, ist die Außenstadt Realität. Deshalb müsse man endlich auch beginnen, sie lebenswerter zu machen.

Die größten Defizite am Stadtrand weisen die Radialstraßen, die großen Ausfallstraßen, auf. Die markanteste von ihnen ist die elf Kilometer lange Landsberger Allee. Sie verbindet den Platz der Vereinten Nationen mit der Stadtgrenze und führt durch drei Bezirke: Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf.

An der Landsberger Allee, zu DDR-Zeiten Leninallee, lässt sich nachempfinden, wo das Innen anfängt und das Außen beginnt. Und auch dass das Außen anderen Spielregeln folgt. Stadt in Lichtenberg ist etwas anderes als Stadt in Friedrichshain. Auch deshalb glauben Stadtplaner, dass man mit den Mitteln der Innenstadt an einer Urbanisierung der Außenstadt scheitern würde. Statt Blockränder zu bebauen, müsse man die großen autogerechten Radialstraßen zurückbauen und die Infrastruktur auf bestimmte Knotenpunkte reduzieren. Alles andere, meint Cordelia Polinna, wäre eine „Disneyfizierung“.

Labor der Zukunft

Eigentlich wäre Berlin ein Labor für solche städtebaulichen Herausforderungen der Zukunft. „Draußenstadt wird Drinnenstadt“, lautete der Titel, unter dem Berlin bis 2020 eine Internationale Bauausstellung (IBA) organisieren wollte. Der neue Senat hat sie gekippt. Angeblich gab es kein Geld im Haushalt. Andere wiederum hätten eine IBA gerne rund um die Marienkirche in Mitte angesiedelt. Als ob Mitte nicht schon Mitte genug wäre. Nun müssen Architekten, Stadtplaner, Künstler und Investoren ohne die große Bühne IBA und ohne internationale Aufmerksamkeit das Problem bewältigen.

Die Fragen aber bleiben. Zu ihnen gehört auch: Wie verhindert man, dass die Außenstadt zum Auffangbecken für die Verdrängten aus der Innenstadt wird? Immerhin hat die Politik am Stadtrand mehr Handlungsspielraum als in der Innenstadt. Nicht nur die meisten Berliner nämlich leben draußen. In der Außenstadt gibt es auch die meisten Wohnungen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften.

Zu Fuß auf der Landsberger Allee + Interview mit Cordelia Polinna auf SEITE 44, 45