Das Land räumt seine Mieter

ZWANGSRÄUMUNGSSTUDIE

„Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum“ steht in der Verfassung

„Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum“ – so steht es in Artikel 28 der Berliner Verfassung. Dort wird auch ein entsprechender Auftrag für das Land Berlin festgehalten: Es muss die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum fordern, „insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen“. Ein wichtiges Instrument dafür sind die landeseigenen Wohnungsgesellschaften: Sie sollen Wohnraum auch für diejenigen bereit stellen, deren Chancen auf dem privaten Wohnungsmarkt schlecht stehen.

Doch die Realität sieht anders aus: Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, die eigenen MieterInnen räumen zu lassen. Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Studie von Andrej Holm, Laura Berner und Inga Jensen geht ein Fünftel aller Zwangsräumungen in Berlin auf das Konto der Kommunalen. Dabei beträgt deren Anteil an Wohnungen nur etwa 15 Prozent – die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften räumen also überdurchschnittlich eifrig. Ihre Quote liegt bei 3,5 Räumungen auf 1.000 Haushalte – im Berliner Durchschnitt sind es nur 2,9.

Dass es bei den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zu überdurchschnittlich vielen Zwangsräumungen kommt, führen die drei WissenschaftlerInnen von der Humboldt-Universität in ihrer Studie auf das mieterfeindliche Verhalten der städtischen Unternehmen zurück: Diese würden oftmals direkt zu juristischen Mitteln greifen würden, anstatt die Kommunikation mit den MieterInnen zu suchen.Über 18.000 Rechtsstreitigkeiten haben die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften mit ihren MieterInnen zwischen 2009 und 2013 geführt. Jede vierte dieser Klagen führte laut Studie in der Konsequenz zu einer Zwangsräumung.

Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sind mittlerweile „eine feste Größe im Berliner Verdrängungsgeschehen“, heißt es in der Studie. Das ist nicht nur angesichts des angespannten Berliner Wohnungsmarkts ein Skandal. Der Ansatz des Mietenvolksentscheids, der die kommunalen Unternehmen zur Gemeinnützigkeit verpflichten und ihnen Zwangsräumungen verbieten will, ist deswegen uneingeschränkt unterstützenswert. MALENE GÜRGEN