„GREENBERG“ (WETTBEWERB) ERZÄHLT VON EINER KATATONISCHEN GENERATION
: Luftig und leicht und auch ein bisschen piepsig

Roger ist Mitte vierzig, Hypochonder mit narzisstischen Störungen, depressiven Schüben und chronischer Bindungsangst. Weil seine Spitzfindigkeiten in dieser ignoranten Welt nicht weiter gefragt sind, liebt er es, Beschwerdebriefe über drückende Sitzknöpfe an Fluggesellschaften zu schreiben oder den Fluglärm über Los Angeles zu kriminalisieren. Überhaupt sind ihm die Lebenszeichen der anderen eine Zumutung. Und im eigenen Dasein hat Roger schon lange nicht mehr viel vor.

Nach einem Nervenzusammenbruch mit Klinikaufenthalt soll er das Anwesen seines Bruders Phillip in den Hollywood Hills hüten, den Schäferhund ausführen, den Pool warten und, wenn es gut läuft, eine Hundehütte bauen. Beschäftigung, da sind sich alle Greenbergs einig, ist gut für Roger, der heute als Schreiner arbeitet, nachdem das mit der Band, dem Medizinstudium und der Familiengründung nicht geklappt hat.

Auch die 20 Jahre jüngere Florence, die sich selbst nicht allzu viel bedeutet, aber den Greenbergs Mädchen für alles ist, kümmert sich um das, was nicht mit zum Familienurlaub nach Vietnam konnte. Und so stoßen die beiden bei den Besorgungen rund ums fremde Haus eher genervt als fasziniert aufeinander. Man verabredet sich, weil man sonst nichts vorhat, knutscht gleich, weil die Gespräche nicht aufschlussreicher werden. Und die erste Stellung beim Sexversuch wird mit derselben Leidenschaft eingenommen, mit der sich Roger zum Werkeln unter die halbfertige Hundehütte legt.

Roger (Ben Stiller) und Florence (Greta Gerwig) sind typische Protagonisten des derzeitigen US-amerikanischen Independent-Films, der in diesem Fall mit der Besetzung immerhin eines Starnamens auf die größere Leinwand drängt. Regisseur Noah Baumbach, der unter anderem auch das Drehbuch zu Wes Andersons „Die Tiefseetaucher“ verfasst hat, erprobt sich in der lakonisch ironischen Anamnese einer liebenswerten, aber katatonischen Generation der über Vierzigjährigen. Doch Baumbach mag dem Egomanen Roger noch so liebevoll über die Schulter schauen, es verliert schnell an Spannung, dem pathologischen Drifter dabei zuzuschauen, wie er ohne messbaren dramatischen Ausschlag durch den Film zieht und nichts mehr zu verlieren hat als eine vage Hoffnung, dass die Zukunft der Vergangenheit nicht ähneln mag.

Mehr Aufregung ist in „Greenberg“ nicht zu haben. Keine überraschende Wende, die noch einmal alles auf den Kopf stellt. Nur die Angst, dass einem etwas zustoßen könnte, was bei genauerem Hinsehen nichts anders ist als das Leben selbst. Alles ist luftig und leicht und auch ein bisschen langweilig. Einmal, in einem guten Moment des Films, ruft Roger nach Jahren seine Ex an. Eine piepsige Stimme meldet sich. Roger zuckt zurück, fasst wieder Mut und fragt mit Ekel und Panik in der Stimme: „Spricht da etwa ein Kind?“ Am anderen Ende der Leitung fällt die Reaktion ähnlich sparsam aus. „Roger? Spricht da etwa Roger?“ BIRGIT GLOMBITZA

■ Heute, 12 u. 18 Uhr, Friedrichstadtpalast; 22.30 Uhr, International