Die unsichtbare Frau

RESPEKT „Black Bus“ (Forum) porträtiert israelische Frauen aus religiösen Familien, die nicht mit 18 verheiratet werden wollten

Ihr Leidensdruck wird so groß, dass sie sich für ein selbstbestimmtes Leben entscheiden, auch wenn sie damit ihre Familien verlieren

„Zum Studieren ging ich in eine andere Stadt, wie ein Rabbiner, der zu einer Prostituierten geht“, sagt Sara. Die junge Mutter betreibt einen Blog, in dem sie über ihren Ausstieg aus einer der ultraorthodoxen Gemeinschaften Israels berichtet. Sie benennt das Leiden von Frauen in den restriktiven Strukturen offen, und es wird deswegen anscheinend von vielen religiösen Männern und Frauen gelesen.

Vor der Kamera erzählt Sara die Geschichte ihrer Freundin, die ordnungsgemäß zweimal im Monat mit ihrem Mann Sex hat: „Sie möchte, dass er danach ein bisschen bei ihr liegen bleibt, doch er sagt nein. Sie fragt: Bin ich seine Toilette?“

„Black Bus“ der israelischen Dokumentarfilmerin Anat Zuria lässt zwei Frauen zu Wort kommen, die nicht mit 18 von ihren Eltern verheiratet werden wollen. Sara und Shulamit wünschen sich Zuneigung und Respekt für die eigenen Bedürfnisse. Ihr Leidensdruck wird so groß, dass sie sich für ein selbstbestimmtes Leben entscheiden, auch wenn sie damit ihre Familien verlieren, die mit Töchtern und Geschwistern, die vom rechten Weg abweichen, nichts zu tun haben wollen.

Die „schwarzen“ Busse, die dem Film international seinen Namen gegeben haben (das hebräische Original heißt „Aufsässig“) werden offiziell Mehadrin-Busse genannt. Eingeführt wurden sie im Zuge der sogenannten „Anstandsrevolution“, die in den ultraorthodoxen Vierteln ausgerufen worden ist. Die Anstandsrevolution sei das Ergebnis des Wettbewerbs zwischen den einzelnen Sekten und ihren Rabbinern, von denen jede Seite noch orthodoxer sein wolle als die andere, erzählt Meir. Er ist selber Sohn einer chassidischen Dynastie und erklärt der Filmemacherin, welches Frauenbild ultraorthodoxe Jungen vermittelt bekommen: Aus Gründen des Anstands gilt es, Frauen am besten gar nicht wahrzunehmen. Darüber kann er heute nur lachen. Zurias Film zeigt so auch, dass die fremden Welten ultraorthodoxer Juden vielschichtig und in Bewegung sind.

Sie sei erst seit fünf Wochen „draußen“, sagt Shulamit. „Als ich hier gelebt habe, hatte ich keine Gefühle, keine Seele. Ich verhielt mich wie ein Automat, vom Morgen bis zum Abend.“ Shulamit fotografiert die schwarzen Busse und die religiösen Frauen in ihrem alten Viertel, denen das sichtlich unangenehm ist. Das Fotografieren ist ein Akt der Aggression. Es scheint, als ob Shulamit damit die Verletzungen kompensieren wolle, die ihr das Leben in einer der Sekten beschert hat. Der Fotografin schlagen Ablehnung und Ängste entgegen.

Zurias Kamera beobachtet wiederum die Fotografierende. Sie schaut hin, wo es wehtut, ist dabei aber nicht voyeuristisch und wahrt den Abstand dort, wo es angebracht scheint.

ULRICH GUTMAIR

■ Heute, 12.30 Uhr, Cubix 7; Di., 16. 2., 22.45 Uhr, Arsenal 1