WAS BISHER GESCHAH 4
: Glamour als Arbeit

Wer noch nie auf der Berlinale war, kann so ein Filmfestival nur für eine irre glamouröse Veranstaltung halten. Denn davon erzählen die Bilder in den Zeitungen und in der „Tagesschau“: von schweren Limousinen, roten Teppichen und schönen Frauen wie Jessica Schwarz, deren Auftauchen Fotografen austicken lässt. So auch beim Empfang des Medienboards Berlin-Brandenburg am Samstagabend im Ritz Carlton. Plötzlich wurde es um Schwarz herum taghell, und jeder, der an seinem Leben hing, brachte sich in Sicherheit vor den Bilderstürmern.

Doch die Berlinale hat auch ein anderes Gesicht – ein Allerweltsgesicht – grau wie Businessanzüge –, das es nicht in die Zeitungen schafft und erst nicht in die „Tagesschau“. Wie das von Thomas Schäffer, der mir diese uncharmante Überleitung bitte verzeihen möge: Hier und jetzt findet Volksbildung statt! Schäffer ist Geschäftsführer der nordmedia, der niedersächsischen und Bremer Filmförderer, die am Freitagabend in der niedersächsischen Landesvertretung anlässlich ihres 10. Jubiläums einen Rückblick auf „große Momente“ versprach und daraus eine Veranstaltung zimmerte, die ungefähr so bewegend war wie die Ziehung der Lottozahlen. Für Nichtspieler. Oder ein Beratungsgespräch zur Riesterrente. Für alle Menschen. Zur Begrüßung dankte Schäffer unter anderem einer Dame aus der Buchhaltung dafür, dass sie der nordmedia schon seit zehn Jahren die Treue hält. Und es wurde nicht spannender. Da konnte der live vor den Gästen aufgeschnittene Parmaschinken schon fast als Showprogramm durchgehen.

Mit Glamour macht man keine Geschäfte – er ist aber der Rahmen dafür: Mit der Aussicht, den einen oder anderen Promi zu sehen und vielleicht sogar den einen oder anderen Satz mit ihm zu wechseln, lassen sich filmfremde Geschäftspartner (Banker, Anwälte, Prostituierte) gern auf Berlinale-Partys locken. Der nordmedia-Empfang hatte allerdings das Problem, dass die Banker strömten, die Stars aber nicht – der Offenbarungseid für so eine Veranstaltung. Der berühmteste Gast, den ich gesichtet habe, war Rolf Eden. Und auch der kam nur kurz vorbei, um „The Big Eden“ zu promoten, einen Dokumentarfilm über sein Lieblingsthema: sich selbst.

Beim Medienboard-Empfang dagegen war gefühlt jeder sechste Gast gesichtsbekannt. Für die Banker gab es also genug zu gucken – und für die Angeguckten die Kosmetiklounge des Sponsors als Rückzugsort. Im Vorraum, lässig auf einen Tisch gesetzt, sah ich etwa Marie Bäumer, die nicht vorzuhaben schien, da schnell wieder wegzugehen. Und wenn, dann nur nach Hause ins Bett. Glamour ist eben auch harte Arbeit. DAVID DENK