Die Meister des Scheibenwurfs

FRISBEE Bei der Deutschen Indoor-Meisterschaft treffen sich am Wochenende die 400 besten Frisbee-Spieler in Berlin. Sie kämpfen um den Titel im Mannschaftssport Ultimate

Der Sport: „Ultimate“ bezeichnet wenig bescheiden den „ultimativen Sport“. Da Frisbee ein geschützter Begriff ist, darf die Bezeichnung „Ultimate Frisbee“ offiziell nicht mehr verwendet werden. Das Spielfeld ist draußen 100 Meter lang und 37 Meter breit. Im Freien spielen sieben, in der Halle fünf Spieler in einem Team. Ultimate hat Elemente des Basketballs und des American Footballs übernommen: Vom Basketball stammt die Idee des körperlosen Spiels, vom American Football das Ziel des Spiels: Um einen Punkt zu gewinnen, muss das Frisbee in der Endzone von einem Mitspieler gefangen werden.

Die Meisterschaft: Das Turnier findet in Hallen in Lichterfelde, Schöneberg, Köpenick, Adlershof, Kreuzberg statt, die Finalspiele im Tiergarten (Lützwostr. 83, Grundschule Tiergarten Süd). Weitere leider nicht sehr detaillierte Infos unter ultimateliga.de

VON MORITZ FÖRSTER

Kaum scheint die Sonne, schon segeln die bunten Scheiben durch die Parks. Hunde hecheln den Frisbees hinterher. Echte Könner vollführen Kunstwürfe. Aber was kaum ein Parkbesucher weiß: Frisbee ist nicht nur eine Freizeitbeschäftigung, sondern richtiger Sport. Die Spitzensportler aber spielen derzeit noch in der Halle. Am Wochenende treffen sie sich zu den deutschen Indoor-Meisterschaften.

„Stopp!“, ruft Spielertrainer Dennis Rosenowski von der Seitenlinie: „Du machst den ganzen Raum kaputt!“ Die Jungs von Wall City trainieren gerade unter Wettkampfbedingungen in der Halle. Fünf gegen fünf. Die Raumdeckung funktioniert nicht. „Guck mal, wo du stehst“, ermahnt Rosenowski den Übeltäter. Kaum läuft das Spiel wieder, fliegt die Scheibe Richtung gegnerische Endzone.

Das Team von Wall City trainiert die Mannschaftssportart Ultimate, die seit der Jahrtausendwende in Berlin zunehmende Popularität genießt. Wird die Frisbee hierbei von einem Mitspieler gefangen, erzielt die Mannschaft einen Punkt. Das Team, das zuerst 17 Punkte hat, hat gewonnen. Zumindest nach den offiziellen Regeln. Häufig wird aber auch nach einem Zeitlimit gespielt. Der Werfer selbst darf mit der Frisbee in der Hand nicht weiterlaufen. Spätestens nach zehn Sekunden muss er weiterpassen.

Die Meisterschaften an diesem Wochenende sind Höhepunkt und Abschluss der Ultimate-Hallensaison. 44 Mannschaften und über 400 Spielerinnen und Spieler aus ganz Deutschland treten an. Aber nicht alle spielen um den Titel mit. In diesem Jahr hat sich mit den Damen von „JinX“, immerhin zweimaliger Deutscher Meister und 2006 sogar Europameister, nur eine Berliner Mannschaft für Liga 1 qualifiziert.

Wie die JinX gehören auch die Männer von Wall City dem Verein „Turngemeinde in Berlin“ (TiB) an. Sie sind zwar die erfolgreichste Berliner Herrenmannschaft. Aber verfolgt vom Verletzungspech, schafften sie es diesmal nur in die Zweite Liga. „Das wurmt uns unheimlich“, sagt Spielertrainer Dennis Rosenowski. Jetzt will er mit seinen Mitstreitern in Liga 2 unbedingt weit vorn landen.

Wall City war eins der der ersten Ultimate-Teams in Berlin. Bereits seit Mitte der 80er Jahre ist die Mannschaft dabei. Die jüngeren Mannschaften tragen meist kuriose Namen: „Air Pussies“, „Huck Fressen“ oder „YeaHaw!“. Viele stammen, wie etwa die „Nihilisten“ oder die „Disc Jockeys Dahlem“, aus dem Hochschulsport. Bei Turnieren sind Akademiker eindeutig in der Überzahl.

Auch Ultimate-Veteran Ralf Otto-Knapp begann in den 90ern als Medizinstudent mit dem Scheibenwurf. Seit bereits 20 Jahren ist er nun in der Szene unterwegs, seit 1995 spielt er bei Wall City. „Wir standen unter dem Verdacht, alle Hippies zu sein“, sagt der 38-Jährige mit einem Schmunzeln. Hippie ist er nicht, aber Purist. Deshalb muss seine Mannschaft bei den Indoor-Meisterschaften ohne ihren erfahrenen Werfer auskommen. „Ultimate spielt man draußen, zur Not auch bei Schnee und Eis!“, sagt Otto-Knapp. In der Halle wirft er nicht.

Da fliegt das Blech weg

„Ultimate spielt man draußen, zur Not auch bei Schnee und Eis!“

Der Scheibenwurf-Veteran Ralf Otto-Knapp weigert sich, in der Halle zu spielen

Größter Erfolg seiner Karriere war das Halbfinale mit der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2000 in Heilbronn. Das war die beste Platzierung, die je eine deutsche Herrenmannschaft erzielt hat. Auch in den USA hat er schon gespielt, dem Herkunftsland von Frisbeescheibe und Ultimate.

Dort sollen sich Kinder anfangs Kuchenbleche der Firma „Frisbie Pie Company“ zugeworfen haben. Das hat wohl den Erfinder der fliegenden Scheibe, Walter Frederick Morrison, inspiriert. Seit 1957 wird seine Erfindung von der Spielzeugfirma Wham-O im großen Stil vermarktete. Als Teamsport soll Ultimate erstmalig 1968 an der Columbia High School in New Jersey stattgefunden haben.

Inzwischen hat sich auch in Berlin und Potsdam ein regionaler Freizeitspielbetrieb entwickelt, an dem rund 200 Spielerinnen und Spieler teilnehmen. Als Variante kann Ultimate auch auf Tore (Goaltimate) oder im Sand (Beach Frisbee) gespielt werden. Andere Disziplinen unterscheiden sich gänzlich vom Ultimate: Beim Freestyle geht es eher um Trickwürfe und Geschicklichkeit, DiscGolf ist eine Art Golf mit Frisbee.

Das Besondere am Ultimate ist der „Spirit of the Game“: Auch bei großen Turnieren gibt es keine Schiedsrichter. Ein gefoulter Spieler meldet sich, dann muss der Gegner das Foul bestätigen. Dieser Umgang miteinander sei ein Grund für den wachsenden Erfolg in Berlin, glaubt Ralf Otto-Knapp: „Der Sport passt einfach zur Stadt – vom Spirit her.“