Buttercremetorte bis zum Ende

CAFÉKULTUR 65 hausgemachte süße Kreationen, serviert von klassisch gekleidetem Personal: Mit dem Opernpalais Unter den Linden schließt zum Jahresende eine Institution in Sachen Käse-Sahne mit Kulturbeilage

Seit 47 Jahren ist das Café im Prinzessinnenpalais ein Refugium für Freunde des barocken Lebensstils

VON NINA APIN

Alle waren sie schon mal hier: Klaus Wowereit, Gerhard Schröder, Peter Struck. Auch die Eislaufprinzessin Katharina Witt und „Panikrocker“ Udo Lindenberg blicken kuchenselig lächelnd in die Kamera. Die Bildergalerie, die Besucher gleich am Eingang des Opernpalais Unter den Linden empfängt, ist eine Eintrittskarte: Wer hier speist, signalisieren die gerahmten Fotos, begibt sich in illustre Gesellschaft. Dass auch SPD-Rechtsaußen Thilo Sarrazin mit gefrorenem Lächeln eine Sahnetorte anschneidet – geschenkt. Dafür gibt es drinnen mit 65 hausgemachten Kreationen die größte Kuchen- und Tortenauswahl Europas und draußen Kännchen, alles serviert von klassisch schwarz-weiß gekleidetem Personal.

Seit 47 Jahren ist das Café im Prinzessinnenpalais der Hohenzollern ein Refugium für Freunde des barocken Lebensstils mitten im steinernen Herzen der Stadt. Doch zum Jahresende soll Schluss sein, die bundeseigene Treuhand Liegenschaftsgesellschaft TLG will das Haus sanieren und in zwei Jahren neu vermieten. Ob dann eine Konzernzentrale einziehen wird oder neue Gastronomie, ist unklar. Sicher ist, dass die Jahre der fetten Torten gezählt sind.

Drinnen sitzen sie bereits am frühen Nachmittag dicht gedrängt an kleinen Tischchen und futtern Torten, als ob es kein Morgen gäbe: Vom Sightseeing hungrige Touristen und Berliner Kaffeeklatschgrüppchen jenseits der 60 verzehren luftiges Himbeerbaiser, schwäbischen Käsekuchen und die gehaltvolle Luisentorte, eine hauseigene Spezialität mit viel Buttercreme. „Such European romance!“, ruft eine Amerikanerin begeistert, bevor sie sich mit ihrem Begleiter unter einem Kronleuchter niederlässt. Fast streift ihr Mantel eine goldene Beethoven-Büste, die auf einer Säule thront.

Dass der Beethoven ebenso wenig aus echtem Gold ist wie die Kronleuchter oder die vielen opulenten Bilderrahmen, gehört zum Charme des Gesamtkunstwerks Opernpalais. Das Haus, das 1733 aus zwei zusammengefügten Gebäuden entstand und später von Karl Friedrich Schinkel durch einen Schwibbogen mit dem Kronprinzenpalais verbunden wurde, diente den Töchtern Friedrich Wilhelm III. als Wohnhaus. Ab 1931 wurde in den Räumen das Schinkel-Museum eingerichtet.

Das im Zweiten Weltkrieg stark beschädigte Haus wurde in den 60er Jahren nach historischem Vorbild rekonstruiert und erhielt ein original Rokoko-Treppengeländer aus Schloss Buch. Mit dem Café selbst war man weniger zimperlich: Der Boden ist gefliest, die Tische stehen auf gemusterter Auslegware, die schon bessere Zeiten gesehen hat.

Mut zu stilistischen Brüchen bewies auch der Konditor Manfred Otte, der das Ensemble 1990 von der Treuhand gepachtet und für mehrere Millionen Mark saniert hatte. Er erklärte das Café kurzerhand zum Wiener Kaffeehaus – obwohl es auf der Karte weder Melange noch Kaiserschmarrn gibt, sondern Heimbs Kaffee und Königsberger Klopse.

Der Beliebtheit tut das keinen Abbruch: Wer hierher kommt, will im Glanz vermeintlich besserer Zeiten schwelgen – ob es die so tatsächlich gegeben hat, ist dabei egal. Während im Café die Süßwaren verdrückt werden, bietet der Operntreff Bar-Ambiente mit Unterhaltung: Sonntags trifft man sich zum Jazzbrunch mit André Hermlin und seinem Swing Dance Orchestra, dazwischen gibt es kulinarisch-kulturelle Themenevents wie die königlich-preußische „Audienz bei Luise“ oder das „Murder Mystery Dinner“. Formvollendeten Historienkitsch im Rokoko-Stil bieten der Salon Königin Luise und der Prinzessinnensaal, die man für Feiern und Firmenevents mieten kann – tonnenweise Deko-Gold und ein verschwenderisches Buffet inklusive.

Es ist ein üppiges Themenpaket, das Gastro-Unternehmer Otte an der Adresse Unter den Linden 5 entfaltet hat. Frühstück, Kaffee, Opernabsacker – alles unter einem Dach. Doch die Abwicklung des räumlich und thematisch an die benachbarte Staatsoper angelehnten Angebots hat schon begonnen. Seitdem die Oper saniert wird, ist es deutlich unfeierlicher geworden. Mit dem Opernbetrieb, der ins Schillertheater ausgewandert ist, bleibt auch das Kulturpublikum weg. Die Schinkel-Klause im Souterrain hat bereits geschlossen, von ehemals 200 Angestellten des Gastro-Ensembles sind nur noch 70 im Dienst. Auch die Tage des Bratwurststands zur Straßenseite sind gezählt – was vor allem Schulklassen und Berliner Laufpublikum hart treffen dürfte. Wer künftig auf dem Nachhauseweg oder vor einer Theatervorstellung im Gorki schnell noch etwas essen will, muss künftig weit laufen.