Tempelhof: Airportgegner kriegen die Flatter

Die SPD versucht wenige Tage vor dem Volksentscheid zum Flughafen Tempelhof zu retten, was zu retten ist. Umfragen sehen die Schließungsgegner klar vorn.

Luftaufnahme des Flughafen Tempelhof bevor die Luft brennt Bild: AP

Christian Gaeblers Füße wollen einfach nicht gehorchen. Da zählt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion all seine bekannten Argumente auf, weshalb der Flughafen Tempelhof nun wirklich Ende Oktober schließen muss. Gaebler redet schnell, attackiert CDU, IHK und Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof (Icat) und sagt: "Wir stehen überhaupt nicht unter Druck." Die vor ihm sitzenden Journalisten schreiben pflichtschuldig mit. Aber die eigentliche Botschaft dieser Pressekonferenz senden Gaeblers Füße unter dem Tisch. Sie wippen hektisch hin und her.

Sechs Tage vor dem Volksentscheid über Pro und Contra der Schließung des innerstädtischen Flughafens kann selbst die SPD nicht mehr ignorieren, dass sich der Wind gedreht hat. Dazu passt das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap. Demnach sind 64 Prozent der Berliner sehr stark oder stark an der Abstimmung interessiert. 50 Prozent der insgesamt 2.500 Befragten sprachen sich zudem für einen Weiterbetrieb des Flughafens aus, nur 37 Prozent dagegen. Nun versuchen die Sozialdemokraten zu retten, was zu retten ist.

"Lügen" und "Manipulationen" wirft Gaebler den Machern des Volksentscheids vor. Auf deren Broschüren stehe, wer am Sonntag nicht abstimme, votiere für die vom Senat geplante Schließung. Für den SPD-Mann ist das eine "Unverschämtheit". Außerdem habe das Bundesverwaltungsgericht Ende 2007 zum wiederholten Male erklärt, dass erst Tempelhof und schließlich Tegel den Flugbetrieb aufgeben müssten, um den Betrieb des Großflughafens in Schönefeld ab 2011 nicht zu gefährden.

Doch Gaebler kommt zu spät. Seine mit Verve vorgetragenen Attacken wirken eher wie ein Rückzugsgefecht. Spätestens, seit selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich am vergangenen Freitag in der einstigen Provinzposse zu Wort meldete: "Der Weiterbetrieb von Tempelhof ist von Bedeutung für Wirtschaft und Arbeitsplätze." Da half auch nicht mehr, dass der Regierende Bürgermeister sich am Wochenende zu einem Zeitungsinterview herabließ und urteilte, das Gelände in Tempelhof sei für den stark rückläufigen Flugbetrieb "viel zu schade".

Wäre dies ein Fernsehbericht, käme an dieser Stelle ein harter Schnitt zur Abflughalle des Flughafens Tempelhof. Dort könnten TV-Kameras Bilder und Worte stolzer Unions-Politiker einfangen, die vor allem eines ausstrahlen wollen: Zuversicht. Die Vorstände der Unions-Fraktionen in Bundestag und Abgeordnetenhaus treffen sich hier vor historischer Kulisse. Der Berliner Fraktionschef Friedbert Pflüger erhält Unterstützung der Bundespartei, nun, da die Sache klappen könnte. Der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Volker Kauder, und CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sind am Montagnachmittag gekommen, um dem "lieben Friedbert" ihre Unterstützung kundzutun.

Alle drei halten sich nicht lange mit dem offiziellen Anliegen des Volksentscheids auf, nämlich dem Weiterbetrieb als Verkehrsflughafen. Stattdessen geißelt Kauder Wowereits demonstrative Gleichgültigkeit und fordert die Wähler auf, dem Regierungschef am Sonntag dafür die "Quittung zu erteilen".

Eine verzwickte Frage beantwortet Kauder so, wie es sich nur siegesgewisse Politiker erlauben können: mit unverhohlener Missachtung des Rechts. Ein Journalist fragt, warum Berlins Senat das Referendum ernst nehmen soll, obwohl Hamburgs Unions-geführter Senat zwei erfolgreiche Volksentscheide ignoriert hat. Kauder sagt ungerührt, die Union sei "immer kritisch gegenüber Plebisziten" gewesen und wolle "keine weiteren plebiszitären Elemente in die Verfassung einfügen". Soll heißen: Wenn mir ein Volksentscheid etwas bringt, nutze ich ihn. Wenn nicht, dann nicht.

CSU-Mann Ramsauer scheint nicht mal zu merken, dass er seine eigene Partei kritisiert: "Wir in München würden einiges dafür geben, so einen innenstadtnahen Flughafen zu haben." Abseits der Szene erklärt ein gelassener Unionsmann, wie er die Situation sieht: "In den letzten Tagen vor der Abstimmung geht es ja nicht mehr um Argumente."

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