CALL A REPORTER
: Krautfunding am Moritzplatz

URBAN GARDENING Das Gelände des Prinzessinnengartens in Kreuzberg gehört wieder dem Bezirk, das Projekt ist gerettet. Nun begeben sich die MacherInnen auf Geldsuche

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Jetzt, im Winter, zeigt sich der Prinzessinnengarten nicht gerade als grüne Oase: Schlamm, vom Tauwetter verschonte Eisreste und Gerümpel dominieren das Gelände am Kreuzberger Moritzplatz. Nur ein wenig Wintergemüse, das in zu Hochbeeten gestapelten Kisten gedeiht, verrät etwas über das eigentliche Dasein des Gartens.

Robert Shaw brachte vor ein paar Jahren die Idee aus Kuba nach Berlin: Agricultura Urbana – städtische Landwirtschaft. Mit Marco Clausen begann er 2009 auch am Moritzplatz, wie in Havanna oder Santiago, auf Hochbeeten Gemüse anzubauen. Seitdem haben sich mehr als 1.500 Menschen an der Gartenarbeit beteiligt. Lässt sich die aus dem Mangel geborene kubanische Idee einfach so auch auf ein Land mit übervollen Gemüseregalen übertragen? „Unser Überfluss ist ein geborgter“, sagt dazu Clausen.

Große Erleichterung

Das Gelände des Gartens gehörte lange dem Berliner Liegenschaftsfonds, was eine gewisse Unsicherheit bedeutete. Gerade im begehrten Innenstadtbereich hatten die Gärtner ständig die Gefahr vor Augen, vielleicht bald Eigentumswohnungen oder Büroflächen weichen zu müssen. Bezirksamt und Bezirksparlament setzten sich für eine Rückübertragung der Fläche an Friedrichshain-Kreuzberg ein. Der Liegenschaftsfonds stimmte dem Vorschlag am 14. Dezember schließlich zu. Seitdem herrscht am Moritzplatz Erleichterung vor.

Nach Klärung der Grundstücksfrage gilt es für den Prinzessinnengarten nun, Gelder für Betrieb und Projekte aufzutreiben. Förderungen gibt es bislang keine, Gelder werden aus Spenden und einem Gastronomiebetrieb eingenommen. Was im Garten angebaut wird, landet wenige Meter weiter im Kochtopf und dann auf den Tellern zahlender Gäste.

Nun soll Crowdfunding über eine Online-Plattform die Kasse des Prinzessinnengartens füllen, seit letzter Woche läuft die Sammelaktion. Für Clausen ist es ein Pilotversuch. 22.000 Euro sollen allein von privaten Geldgebern zusammenkommen. Man will keine Großspender, keine Sponsoren, sondern unabhängig sein von Politik und Wirtschaft. Bislang gaben die meisten zwischen 10 und 20 Euro.

Mit diesem Geld sollen Projekte jenseits der urbanen Landwirtschaft finanziert werden, etwa Workshops zum Thema Bürgerbeteiligung. Sollten die 22.000 Euro bis Ende Februar nicht zusammenkommen, erhalten die Spender ihr Geld zurück – das sind die Regeln beim Crowdfunding. Die Workshops könnten dann wohl nicht stattfinden.

Der Prinzessinnengarten will in die Nachbarschaft wirken. Die meisten, die in der Gartensaison vorbeikommen, seien zwischen 20 und 40 Jahre alt, erzählt Clausen. Das Eckkneipenmilieu habe hingegen noch nicht Hacke und Spaten in die Hand genommen. „Vielleicht interessiert sie die Gartenarbeit einfach nicht“, vermutet er.

Ansonsten ist der Garten aber keineswegs die exklusive Sache eines Bildungsbürgertums mit Ökolifestyle. Auch ältere Migrantinnen zeigten Interesse an Gemüsebeeten, wollten aber ein eigenes haben. Daraufhin wurde ein Garten außerhalb des Geländes für sie angelegt. Zudem betreut der Prinzessinnengarten Beete an Kindergärten und Schulen. Die Kinder sollen dort erfahren, wo und wie ihr Essen heranwächst. Lebensmittel sollen „sinnlich erfahrbar vermittelt“ werden, erzählt Clausen.

Beim Crowdfunding des Prinzessinnengartens gibt es für Spender neben dem guten Gewissen auch noch ein Geschenk: für 10 Euro Rezepte, für 12 eine Samenmischung oder für 820 Euro gleich einen ganzen Tag lang angeleitetes „Gruppengärtnern“. JÖRN WEGNER

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