Off-Kino
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Was in Brandenburg der Braunkohletagebau ist, nennt sich an der Küste Hafenerweiterung. Das Ergebnis ist das gleiche: der Verlust von Heimat und Identität im Namen des Kommerzes. Die Dokumentation „De Engel van Doel“ von Tom Fassaert zeigt, wie der kleine belgische Ort Doel nach und nach dem Containerterminal im Hafen von Antwerpen zum Opfer fällt – allein die 75-jährige Emilienne Driesen hält im Dorf die Stellung. In ihrem Alter will sie nicht noch einmal woanders von vorn anfangen. Eine wirkliche Chance hat sie nicht: Die Bagger reißen immer größere Löcher ins Stadtbild, und auch ihre letzten Freundinnen verlassen den Ort. Irgendwann ist Emilienne beim Krabbenpulen hinterm Deich allein. Doch sie setzt weiterhin auf passiven Widerstand und sieht sich in einer Vision schon als Allerletzte ausharren: mit einem Bier, einer Zigarette – und dem Gerichtsvollzieher an ihrer Seite. „De Engel van Doel“ läuft in der Dok Film Woche, die von fsk und Eiszeitkino noch bis zum 15. 8. gemeinsam veranstaltet wird und dabei eine Reihe von Dokumentarfilmen jüngeren Datums vorstellt. Darunter finden sich auch Thomas Heises strenger (aber in einzelnen Momenten auch nicht unkomischer) Film „Die Lage“ über die Vorbereitungen des Papstbesuchs in Thüringen sowie „Hiver nomad“, eine ruhige Doku über die winterlichen Wanderungen eines erfahrenen Schafhirten und einer jüngeren Kollegin in der Schweiz. (De Engel van Doel (OmU) 12. 8. fsk; Die Lage 9. 8. Eiszeit; Hiver nomad (OmU) 9. 8. fsk, 11. 8.–12. 8. Eiszeit)

Das Thema des letzteren Films führt uns direkt zu „Sweetgrass“ (2009), einer Avantgarde-Dokumentation der studierten Anthropologen Lucien Castaing-Taylor und Ilisa Barbash über Schaftrecks in Montana. Hier treffen sich Kunst (kurze Installationen mit den 2001 und 2005 entstandenen Aufnahmen der Schaftrecks wurden auch in Kunstgalerien gezeigt), dokumentarisch-wissenschaftliches Interesse (die Trecks sind mittlerweile eingestellt) und ein filmischer Sinn für aus dem Leben gegriffene Absurditäten und ihre unterschwellige Komik. Dazu zählt unter anderem ein völlig hysterisches Telefonat eines Schaftreibers mit seiner Mutter: Der Mann steht am Rande eines Zusammenbruchs, weil die Schafe einfach nie tun, was sie sollen. Überhaupt wird ziemlich viel geflucht angesichts dieses Säugetiers, das bei der Hirnverteilung offenbar weit hinten gestanden hat. Ein eindrückliches Werk. ((OmU) 14. 8. Arsenal)

Die eigene Stärke entdecken und ausbauen – davon erzählen viele Animes von Hayao Miyazaki. Im Mittelpunkt von „Das wandelnde Schloss“ (2004), der Verfilmung eines britischen Kinderbuchs, steht die junge Hutmacherin Sophie, deren Schicksal eine zunächst schreckliche Wende nimmt, als sie von einer eifersüchtigen Hexe in eine alte Frau verwandelt wird. Doch Sophie wird lernen, durch die Abenteuer ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, und dabei Kulissen von kleinen europäischen Städten und grandiosen Berglandschaften durchschreiten, wie Miyazaki sie besonders liebt. (11. 8.–12. 8. Sputnik)