Medienpolitik der Union: 700.000 Qualitätshörer in Gefahr

Niedersachsens CDU will bei einem erneuten Wahlsieg den Weg für einen lokalen Dudelfunk frei machen. Was wird dann aus den Bürgerradios?

Radio-Gerät in einer Zeit ohne Privatfunk Bild: dpa

Es steht im Wahlprogramm der CDU - und soll vor allem den Verlegern nutzen: Auch in Niedersachsen, wo der Kommerzfunk bislang nur landesweit zulässig ist, sollen private Lokalradios losdudeln dürfen.

Zehn Bewerbungen privater Anbieter für eine Sendefrequenz im Stadtgebiet Hannover liegen vor, im Fall des Wahlsiegs am Sonntag will die CDU hier den Weg freimachen. "Diese Entwicklung wird sich nicht aufhalten lassen", sagt Amei Wiegel, medienpolitische Sprecherin der SPD. "Wir sind hier auf der Insel der Glücklichen - in fast allen anderen Bundesländern gibt es das schon."

Doch während der CDU-Mann Ulrich Dütemeyer vom "starken Interesse" der Verleger am Projekt Lokalradio ausgeht, steht der Verband Nordwestdeutscher Zeitungsverlage (VNZV) der Idee eher skeptisch bis ablehnend gegenüber: Es sei fraglich, ob sich mit lokalem Fernsehen oder Radio überhaupt genügend Werbeeinnahmen erzielen ließen, um solche Projekt zu finanzieren. Der Werbekuchen werde schließlich nicht größer, so der VNZV.

Gerade auch aus diesem Grund firmieren die bestehenden lokalen Senderprojekte - wie das StadtRadio Göttingen oder Radio Flora in Hannover in Niedersachsen ausdrücklich als nichtkommerzieller Lokalfunk (NKL). Fünfzehn dieser lokalen Bürgersender strahlen ihre Programme in Niedersachsen aus, zehn davon machen nur Radio, daneben gibt es zwei Bürgerfernsehsender und drei für Hörfunk und Fernsehen. Regelmäßig eingeschaltet werden sie nach Angaben der niedersächsischen Landesmedienanstalt von rund 700.000 Menschen.

Die so entstandene Kombination von offenen Kanälen und nichtkommerziellem Lokalrundfunk wird auch über die Landesgrenzen hinaus als Erfolg gewertet. Zwar soll der Bürgerfunk nicht auf finanzieller Ebene im Wettbewerb zu den Verlagen stehen, weshalb er nach wie vor aus Rundfunkgebühren finanziert wird, wohl aber ist er als Konkurrenz auf publizistischer Ebene gedacht: Viele niedersächsische Landkreise sind sogenannte Einzeitungskreise mit einem lokalen Tageszeitungsmonopol. Dem soll der Bürgerrundfunk entgegen wirken. 2014 muss über die nächste Lizenzierungsphase der Bürgersender entschieden werden.

Wenn bis dahin, wie die CDU plant, kommerzielle Angebote auf lokaler Ebene zugelassen werden, ist es wahrscheinlich, dass dem Nichtkommerziellen Lokalrundfunk die gebührengestützte Finanzierung durch die Landesmedienanstalt versagt und der Weg in die Kommerzialisierung anheimgestellt wird. Ob die Bürgersender dann noch ihren im Mediengesetz festgeschriebenen Aufgaben, wie die Vermittlung von Medienkompetenz, Zugangsoffenheit oder die Behandlung von vernachlässigten Themen, nachkommen können, ist mehr als fraglich.

Denn so entstünde ein Anpassungsdruck an die bestehenden Privatsender - Profilverlust wäre die Folge. Und für die Zeitungsverleger wäre die Beteiligung an den neuen Lokalsendern interessant, weil man so die Konkurrenz ausschalten könnte. Und dies würde zu einem publizistischen Doppelmonopol und einem erneuten Verlust von Medien- und Meinungsvielfalt führen.

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